Hunde sind im Gegensatz zu Wölfen durch ihr Bedürfnis nach Bindung in der Lage, sich verschiedenen Umweltsituationen anzupassen und sich an Menschen zu orientieren. Nicht nur das macht diese Vierbeiner so einzigartig und faszinierend – und kaum etwas anderes führt immer wieder zu Missverständnissen zwischen Mensch und Hund, weil der Zweibeiner dieses kooperative Lebewesen so häufig nicht versteht.
Wolf und Hund werden fälschlicherweise immer wieder in einen Topf geworfen, auch wenn es darum geht, Kommunikationsverhalten zu untersuchen und zu verstehen. Dieses Vorgehen, vom Wolf auf den Hund zu schließen, kommt dem Versuch gleich, vom Verhalten eines Schimpansen (der mit uns zu 98% genetisch verwandt ist) auf uns Menschen zu schließen.
Betrachtet man die ersten Lebenswochen von Wolf und Hund, stellen wir zu Beginn tatsächlich einige Gemeinsamkeiten fest. Wölfin und Hündin sind beide ca. 63 Tage trächtig. Die Welpen beider Caniden öffnen nach ca. 9-12 Tagen ihre Augen, der Gehörsinn entwickelt sich nach ca. 15-20 Tagen. Die ersten drei Wochen säugt ausschließlich das Muttertier den Nachwuchs, danach reduziert sie die Zeit an der Milchbar nach und nach, indem sie beginnt, halbverdaute Nahrung hervor zu würgen.
In der sechsten bis achten Woche spätestens säugt die Hündin oder Wölfin nicht mehr. Hundewelpen ziehen nun in ihre neuen Familien ein (ausgehend von einem Züchter in diesem Fall), Wolfswelpen verlassen den Bau, in dessen Nähe sie bis zur ca. 32 Woche bleiben. Erst danach folgen sie dem Rudel, wenn es fortzieht.
Spannende Dinge passieren jetzt bei den Hundewelpen: anstatt die angeborenen Verhaltensweisen gegenüber den Hunderudelmitgliedern zu zeigen, werden eben jene gegenüber Menschen gezeigt! Wichtig ist nun, dass der Mensch gut sozialisiert, denn in dieser Phase ist das Gehirn der Welpen so aufnahmefähig wie ein Schwamm. Spätestens jetzt ist es vorbei damit, vom Wolf auf den Hund zu schließen – denn der Hund geht nun eine intensive Bindung mit einem artfremden Lebewesen, uns Menschen, ein. Eine Eigenschaft des Haushundes, die Wölfe erwiesenermaßen nicht besitzen.
Jeder Hund besitzt genetisch fixierte Verhaltensweisen, die in den ersten zwei Wochen des jungen Lebens auftreten und schon in diesem Zustand Kommunikation bedeuten. In dieser sogenannten vegetativen Phase reagiert der Hund über Reflexe auf Umweltreize und lernt, dass bestimmte Verhaltensweisen positive oder negative Konsequenzen nach sich ziehen. Selbstverständlich bedeutet die Tatsache, dass der Welpe in den ersten Tagen blind, taub und nicht fähig zu laufen ist, eine eingeschränkte Körpersprache und Kommunikation. Aber hier beginnt sie!
Welpen suchen beispielsweise über pendelnde Kopfbewegungen nach der Zitze der Mama. Halbkreisförmig gependelt erhöht der Welpe seine Chance, auch zum Erfolg zu kommen. Das ist klug, denn wenn er nur geradeaus suchen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit sich von der Mutter zu entfernen viel höher. Außerdem robben die Welpen auch im Halbkreis. Nicht nur wegen der Futterquelle, die gesucht wird, sondern auch, um Körperkontakt zu Geschwistern und der Mutter zu behalten, damit man nicht unterkühlt.
Angenommen, ein Welpe sucht schon länger nach einer Zitze oder Körperkontakt, stößt er einen nur für Welpen typischen, quäkenden Schrei aus. Die Reaktion der Hündin ist zumeist, dass sie den Welpen zu sich holt. Nach ungefähr zwei Wochen verliert der Welpe die Fähigkeit zu diesem Hilfeschrei, außerdem reagiert die Mutterhündin meist nicht mehr.
Durch Leckstimulation oder der sogenannten pflegenden Dominanz, regt die Mutterhündin nicht nur den Magen-Darm-Trakt der Welpen an. Sie legt außerdem den kommunikativen Grundstein beim Welpen, sich auf den Rücken zu legen und Friedfertigkeit zu demonstrieren.
Der Milchtritt ist außerdem ein wichtiger Reflex. Das Gesäuge der Mutter wird stimuliert und gleichzeitig wird die eigene Nase vom Bauch der Mama weggehalten, damit man gut atmen kann.
In der vegetativen Phase können Welpen wie oben erwähnt durchaus Wärme von Kälte unterscheiden. Das Verhalten der Hunde beschränkt sich meist auf die oben genannten motorischen Fähigkeiten, sowie Emotionen, Schlafen und Fressen. Das Nervengewebe des Zentralen Nervensystems ist noch nicht ausgereift, entwickelt sich aber nach und nach im Gehirn. Von dort aus verläuft es über den Rückenmarkskanal, ab ins Periphere Nervensystem. Es arbeiten schnelle (ca. 120m/sek.) und langsamere (ca. 1m/sek.) Nervenzellen zusammen.
Erstere sind von einer sogenannten Myelinscheide umgeben. Direkt nach der Geburt sind fast alle Zellen ohne diese Myelinscheide, einer Eiweißhülle, die sich im Bereich des Fortsatzes einer Nervenzelle befindet (auch Axon genannt). Nach und nach bilden sich um immer mehr lebenswichtige Bezirke Eiweißhüllen. Die Bildung beginnt dort, wo die Nerven das Zentrale Nervensystem verlassen, je näher sie am Kopf liegen, desto schneller bildet sich eine Myelinscheide. Gut erkennen kann man das daran, dass die Welpen am Anfang nur den Kopf und die Vorderläufe zur Bewegung einsetzen, die Hinterläufe können (weil nicht nahe am Kopf) noch nicht so gut gesteuert werden.
Die gute Entwicklung der Nerven ist von großer Bedeutung, daher sollte man Welpen auch selbst den Weg zur Zitze der Mutter „erarbeiten“ lassen und nur im Notfall helfen. Leichter, positiver Stress ist gut für den Organismus der Welpen, nur so können sie sich voll entwickeln.
Zu Beginn steht beim Welpen die Motivation „Fressen“ im Vordergrund, dann folgt die Appetenz, also die Suche nach Futter. Hatte der Welpe Erfolg, hat die Nahrungsquelle also gefunden, folgt das Saugen und schließlich die Sättigung, also Bedürfnisbefriedigung, die vorerst zur Erlöschung der Motivation führt.
2 Wochen alt
Wenn die vegetative Phase abgeschlossen ist, beginnt ca. in der dritten Woche die Phase, in der sich Augen und Ohren öffnen. Die Hündin wird nun nach und nach deutlicher in ihrer Kommunikation, auch ruppiger dabei.
4 Wochen alt
Die Welpen nehmen untereinander Kontakt auf, sie urinieren und koten langsam eigenständig und schlafen weniger. Sobald die nötigen Muskeln aktiviert sind, kann der Welpe nun auch knurren, den Nasenrücken runzeln, mit der Rute wedeln usw. Diese Fähigkeiten aber tatsächlich gezielt einzusetzen und richtig zu deuten kann er aber noch nicht! Diese Fähigkeit zur Kommunikation ist nicht angeboren und muss durch Sozialisation gelernt werden. Umso wichtiger ist es, dass der Mensch gezielt Hundekontakt fördert und (soziales) Lernen ermöglicht.
6 Wochen alt
Nachdem wir nun die biologischen Aspekte der Kommunikation bei Hunden angerissen haben, schauen wir uns in den nächsten Beiträgen zum Thema „Körpersprache und Kommunikation bei Hunden“ die Bereiche „Geruchswelt“, „Tastsinn“, „Sehen“ an.
Sabrina Krebs, studierte in Göttingen Sozialwissenschaften – Schwerpunkt Sozialpsychologie. Nach ihrem Examen, Aufenthalt in Australien und Arbeit mit Farmhunden, Ausbildung zum Trainer bei Martin Rütter.
Foto: screenshot youtube
Siehe auch:
- Kommunikation: Kein grosser Unterschied Hunde und Menschen
- Verstehen Sie uns Hunde wirklich?
- Die jungen Rüpel
- Kleine Hunde – grosse Hunde
- Gewalt gegen Hunde und der Gesellschaftliche Schaden
- Spielen bedeutet Lernen!
- Wie lernen Hunde und Menschen?
- Auch bei Hunden gibt es Sympathie und Antipathie
- Neue Studie über Hunde! Und der Wissensstand der Trainer?
- Die Dominanztheorie – eine deutsche Erfindung;
- Wissenschaft beweist erneut: Nur Hunde verstehen den Menschen!
- Eigentlich wissen wir nichts über unsere Hunde!
- So klug ist Ihr Hund
- Hunde kommunizieren ähnlich wie Menschen
- Auch Hunde können Vokabeln lernen
- Hunde, Evolution, Kognition und Verhalten
- Schwarzbuch Hund: Klischees, Überlieferungen und “selbst gestrickte” Theorien
- Schläge und andere körperliche Massregelungen
- Trotz weltweiter Proteste wurde Lennox getötet
- Border Collies im Ursprungsland Wales
- Hunde sind auch nur Menschen
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