Sitz, Platz, Fass, Aus. So schallt es einem entgegen, sobald man zu bestimmten Zeiten an Hundeplätzen vorbeigeht.
Manchmal kommt es einem vor, als ginge man an einem Kasernenhof vorbei, so werden Hunde darauf gedrillt, ohne Sinn und Verstand irgendwelchen Befehlen Folge zu leisten.
Hundesport nennen es die Betreiber und betonen dabei immer wieder, es würde den Hunden Spaß bereiten. Schaut man genauer hin, so sieht man Menschen, die Freude daran finden, Macht über ein „untergeordnetes“ Wesen auszuüben.
Doch auch andern Orts wird versucht sich den Hund gefügig zu machen. Was dem einen mit Gewalt, Stachelhalsband und Stromschlägen zum Erfolg bringt, das versuchen andere mit „sanften, bestärkenden“ Methoden.
So vielfältig wie Küchenrezeptbücher, sind die „Rezepte“ zur Hundeerziehung.
Was dem einen sein Franz Müller-Darß, ist dem anderen sein Cesar Millan, sein Martin Rütter, Günther Bloch oder Schüssel-Grewe.
Fast jeder selbsternannte Hundetrainer wartet mit einem “Gourmetrezept” in Sachen Erziehung des Hundes auf.
Erschreckend dabei ist allerdings, dass die Hundehalter der Nation, immer mehr auf diese „Erfolgsrezepte“ anspringen und scharenweise ihrem Guru nacheifern. Kaum jemand macht sich dabei die Mühe, selbst einmal wieder nachzudenken und seinen Hund zu beobachten, um zu sehen, weshalb er dies oder jenes macht. Dabei könnte alles so einfach sein.
Was erwarten wir eigentlich, wenn wir uns einen Hund zulegen?
Sollte es nicht, reichen einen verlässlichen Begleiter, mit dem man zuhause kuscheln und schmusen kann und der bei Spaziergängen nicht für Aufsehen oder Ärgernisse sorgt, zu haben? Scheinbar nicht.
Heute müssen auch einfache Familienhunde, Befehlen gehorchen, die aus früheren Zeiten, fast nur von Militär- und Polizeihunden erwartet wurden.
Da herrscht vor, dass der Hund links von seinem Halter zugehen hat, auch wenn dieser nicht die rechte Hand für den Gebrauch seiner Waffe benötigt, auf ein gebrülltes „Down“ hat er gefälligst flach auf dem Boden zu liegen, wenn er zurückgerufen wird, muss er um seinen Halter herum gehen und sich dann linksseitig neben ihn setzten und und und.
Niemandem scheint heute mehr bewusst zu sein, dass es sich um ein lebendes Wesen, eine eigenständige Persönlichkeit handelt.
Natürlich gibt es gewisse Situationen, in denen die Persönlichkeit eines Hundes, sich dem Willen seines Halters unterzuordnen hat. Jedoch sollte es ausreichend sein, wenn der Hund immer, überall, zu jeder Zeit und aus jeder Situation ab- und zurückgerufen werden kann.
Ob er sich dann, nachdem er in einem Halbkreis um mich herumgelaufen ist, an meiner linken Seite hinsetzt, hat hier doch rein gar nichts mit der jeweiligen Situation zu tun. Ein halbwegs sozialisierter Hund wird nach einer gewissen Zeit des Vertrauensaufbaus, das Wichtigste an sogenanntem „Grundgehorsam“ von ganz alleine und ganz selbstverständlich an den Tag legen.
Anders kann es sich mit Tieren verhalten, die ihr Leben von Anfang an ohne uns Menschen verbracht haben, aus welchen Gründen auch immer.
Diese als gerettet deklarierten Hunde werden nach Aussehen, Mitleidsfaktor und Bauchgefühl, meistens aus dem Internet ausgesucht, und wenn es dann nicht sofort funktioniert, mit dem neuen „Familienmitglied“, muss eine Lösung nach Rezept, innerhalb kürzester Zeit her.
Sei es die Rasselbüchse, die Futterschüssel oder das Fleischwursthäppchen, Hauptsache ein Rezept, das man in einer der mannigfaltigen Fibeln der Hundeerziehung nachlesen kann und in der hin und wieder das Wort „wissenschaftlich“ vorkommt.
Wichtig dabei ist nur, es handelt sich um „neuste kynologische Erkenntnisse“, was auch immer das bedeuten soll, denn eine wirkliche Wissenschaft ist die Kynologie nicht, sondern eher eine Sammlung aus, pseudowissenschaftlichen, nicht nachgewiesenen Meinungen, selbst ernannter Trainer und Hundeexperten, die in den letzten Jahrzenten propagiert wurden.
Kaum ein wirklicher Wissenschaftler oder Verhaltensforscher, der etwas auf sich hält, kann nachvollziehen, was Trainer mit Hunden anstellen.
Es sieht im wirken der sogenannten Trainer und Hundefachleuten, eher so aus, als würde ein Chip programmiert, egal ob mit brachialer Gewalt oder mit „modernen Methoden“, der bei Bedarf mit einem Update versehen wird.
Willkommen im App-Store. Durch Konditionierung, nach Iwan Petrowitsch Pawlow, produziert man willenlose einzig auf Reize reagierende Hundezombies, ohne individuelle Persönlichkeit.
Lange Zeit hatten wir eine Hundepension und sind mit bis zu 35 Tieren, zu zweit oder manchmal zu dritt, durch freies Feld, Wald und Wiese spazieren gegangen. Keiner der uns anvertrauten Schützlinge musste ein Training nach Rezept durchleben, ausnahmslos alle diese Hunde durften sich spätestens nach drei Tagen frei bewegen und kamen auf Zuruf zurück.
Weshalb nur immer wieder vergessen wird, dass sich der Hund vor ganz langer Zeit, freiwillig dem Menschen angeschlossen hat und seither versucht diesem zu gefallen?
Doch wenn man sich vor Augen hält, wie sich der Hund in den letzten 20 – 30 Jahren in seinem Verhalten veränderte, kommt man letztendlich zu dem Schluss, dass er nur die Konsequenzen daraus zieht, was der Mensch, mit seiner Machtbesessenheit und Profitgier, ihm angetan hat und antut.
Da werden Hunde zu Sportgeräten degradiert, müssen Kunststückchen vorführen, um ein winziges Stück Fleischwurst zu ergattern, das nennt man dann positive Bestärkung, beim Sport müssen sie dann in einen Ärmel beißen und sollen, wie die „Sportler“, es nennen die Beute wieder freigeben, ansonsten wird nicht selten dem Tier ein Stromschlag oder ein Tritt oder ein massiver Ruck der Leine verpasst.
Wie diese Leute sich erdreisten können, sich Sportler zu nennen, hat sich mir bisher noch nicht eröffnet, denn der einzig aktive dabei, ist ja der Hund. Da müssen Hunde neben ihrem „Führer“ herlaufen und ständig nach oben zu diesem aufschauen, was der „Fachmann“ dann Unterordnung nennt. Was eine solche Zirkusakrobatik bringen soll, wird mir wohl nie so richtig klar werden.
Sollten allerdings die Tiere mal untereinander spielen, was mehr als selten der Fall ist, sich dabei dann um einen Stock, einen Ball oder sonst einen Gegenstand streiten, ist der „furchtlose“ Hundetrainer gefragt und muss sofort eingreifen, es könnte ja einer der Beteiligten eine Schramme davontragen.
Niemand will heutzutage erleben, dass ihr „Schützling“ ein blutiges Ohr oder sonst eine Schramme davonträgt. Keiner erinnert sich daran, wie es früher mit uns selbst gewesen ist, wenn wir als Kinder mit blutiger Nase, aufgeschlagenen Knien oder Ellbogen, nach Hause kamen.
Wenn wir nicht aufhören, im Namen der Kynologie, des Menschen besten Freund, weiter seine Ohnmacht aufzuzeigen, ihn nach Rezept gefügig zu machen, ohne auf seine ureigenen Bedürfnisse einzugehen, gibt es bald nur noch Bestien oder befellte Zombies, die mit ausdruckslosem Blick neben ihren Haltern herlaufen, mit einzig dem Gedanken, was muss ich tun, um dieses Stück Fleischwurst zu bekommen.
Der „Mentor“ von Michael Grewe schreibt in einem seiner Werke: „Dass der Mensch aber den Hund nach seinem Ebenbild schuf, das steht fest.“
In Anbetracht, was im Namen von Zucht und Ausbildung verbrochen wird, ergeben diese Worte einen erschreckenden Sinn, auch wenn ein Erik Zimen wohl nicht den augenscheinlich negativen Sinn seiner Worte erfasst hatte, als er dies schrieb.
Sollten wir nicht eher lernen unsere Hunde zu verstehen und ihnen den gleichen Respekt und vor allem Liebe entgegenbringen, den sie uns erweisen und geben?
Sollten wir ihnen nicht zubilligen, nicht überall gesellschaftskonform zu sein, denn wie Franz von Assisi einst sagte, “der Hund blieb mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde.”
Michael Schlesinger ist in Hessen geboren und lebt seit 7 Jahren mit Hunden aus dem Tierschutz, die ein neues Zuhaue suchen, auf 32.000 qm in Mecklenburg. Die meisten Hunde denen Gefaehrlichkeit und agressives Verhalten angedichtet wurde, worauf sie isoliert und tierschutzrelevant untergebracht wurden, entpuppten sich bei ihm als ganz normale, freundliche Hunde. Er ist Blogger, Journalist und überzeugter Tierschützer bei Tierschutzinitiative Vorpommern e. V.
Siehe auch:
- Heime und Tierheime: Unwürdiges vegetieren für Mensch und Tier?
- Hunde sind auch nur Menschen
- Liebe, Einfühlungsvermögen und Verständnis – Schlüssel für Vertrauen auch bei Löwen
- Warum Ihr Hund Sie versteht – wenn Sie mit ihm sprechen
- Hunde können Denkaufgaben eigenständig und flexibel lösen
- Der Hundeblick gewinnt die Herzen der Menschen
- Neue Studie über Hunde – Und der Wissensstand der Trainer?
- Wissenschaft beweist erneut: Nur Hunde verstehen den Menschen!
- Eigentlich wissen wir “nichts” über unsere Hunde!
- So klug ist Ihr Hund!
- Hunde, Evolution, Kognition und Verhalten
- Die Dominanztheorie – eine deutsche Erfindung;
- Hunde kommunizieren ähnlich wie Menschen
- Schwanzwedeln bedeutet nicht gleich Schwanzwedeln
- Auch Hunde können Vokabeln lernen
- Hunde verhalten sich wie kleine Kinder
- Wie lernen Hunde und Menschen?
- Qualifizierte Trainer
- Hunde bei Schutzhundeausbildung mit Stromschlägen gefoltert
Leider hat man als Hundehalter heute kaum noch Möglichkeiten, ungezwungen und frei mit dem Hund durch die Gegend zu laufen, vor allem in eng bewohnten Gebieten. Fast täglich muss man sich von Joggern, Fahrradfahrern und Fußgängern negatives anhören. Ich versuche, meinen Hund so unauffällig wie möglich zu führen, damit er niemanden belästigt. Dies geht aber nur mit Training!!! Einfach nur dahinzustellen, der Hund folgt mir schon, weil er es gerne tut, funktioniert nicht. Mein Hund muss auf mich hören, da ich als Hundebesitzer sonst immer den kürzeren ziehe, sollte mein Hund doch mal jemanden anbellen oder vielleicht sogar anspringen. Was soll ich den betroffenen Menschen sagen? Ups,heute folgt der Hund mir nicht so gerne??? Ein gewisses Maß an Erziehung ist unumgänglich, wobei ich ihnen natürlich völlig Recht gebe, wenn sie sagen, der Hund soll Hund sein dürfen. Ich denke, jeder muss für sich die Trainingsmethode rausfinden, die zu ihm und dem Hund passt. Sie wohnen, wie ich lese, auf dem Land und haben ein riesiges Grundstück zur Verfügung, davon können die meisten nur träumen. Man sollte also immer mit zweierlei Maß messen…..
Dankeschön für diesen wahren und realistischen Artikel. Besonders in Ballungsgebieten mit hart umkämpften Grünflächen fällt es extrem auf wie wenig die Hunde Hund sein dürfen. Leider. Der Gesetzgeber samt Medien sorgt noch zusätzlich dafür, das es möglichst schwer ist, den Hunden Freude, Spiel und Spaß an ihrem Hundeleben zu verschaffen. Denn darum geht es doch – einem Hund ein schönes Leben zu bieten nach seiner Fasson.
Es geht doch um Freundschaft, nicht um Abhängigkeit. Freundschaft bekommt man geschenkt, die gibt es nicht über Drill und bedingungslosem Gehorsam.
Nicht nur in Ballungsgebieten haben es Hunde schwer. Auch auf dem Land bemerkt man die zunehmende Intoleranz gegenüber den Tieren.
Selbst mit dem kleinsten Hund hat man bei der Wohnungssuche große Probleme.
Die Menschen werden gezwungen sich unterzuordnen in der Republik und das Unterordnen wird auf den Hund übertragen.
Nichts geht ohne Ordnung in Deutschland!
Überall Regeln und Vorschriften. Nur keine Individualität, auch nicht für die Hunde.
Diese krankhafte Trainingsneurose entspricht ganz dem Charakter der Burnout Nation.
Sie wundern sich weil ihre Hunde Arthrose im Hüftgelenk haben, nachdem der Hund unzuählige Male am Arm von irgendeinem Wichtigtuer hin und her gerissen wurde. Oder der Hund muss seinen Kopf aus irgendeinem unersichtlichen Grund während des Laufens zum “Führer” hochheben, ist sowas von krank und unnatürlich, das gehört einfach verboten.
Hier werden Hunde absichtlich krank trainiert. Wer solche Methoden anwendet, dem sollte der Hund genommen werden.
Respekt und Liebe? Ein anscheinend unbekanntes Wort für deutsche Hunde.
Der Drill steckt in unserer Nation und wird sich auch noch eine Weile in der Nation festhalten, bis alle kapieren es geht auch ohne bei den meisten Hunden. Und nur dann ist es möglich den wirlichen Charakter des Hundes miterleben zu dürfen. Keinen Unterdrückten aber den Hund selber.
Vielen Dank für diesen Bericht Herr Schlesinger, endlich jemand der über diese ill-treatment schreibt.