Sind Hunde der Spiegel unserer vom vermeintlichen Wachstum besessenen Industriegesellschaft, ebenfalls zu Wegwerfartikel mit verkürzter Lebenszeit verkommen?
Bereits 1992 entdeckte der Politiker Günther Beckstein in Bayern den Hund als nützliche und Karriere fördernde Projektionsfläche, der dem Volk anschließend als “böser Wolf” präsentiert wurde!
Mit diesem war es nicht nur möglich von tatsächlichen Missständen abzulenken, sich zu profilieren und nachdem der Hund zum konstruierten Sicherheitsrisiko erklärt wurde, auch per Gesetz neue Märkte schaffen. Um Handlungsbedarf herzustellen, den es nicht gab, wurde der beste Freund der Hund und seine Menschen zu neuen „Staatsfeinden“ erklärt: „Wir müssen präventiv zur Sicherheit der Bevölkerung tätig werden!“ (Plenarsitzung 1992).
2000 machte dies dann auch bei anderen Politikern Schule!
Es folgte, mit Hilfe der Medien, eine beispiellose Diskriminierungskampagne, zunächst um die Gesellschaft zu spalten um diese gegen die Minderheit, Menschen mit Hund, aufbringen. “Um der diffusen Unzufriedenheit im Volk entgegen zu wirken, wurden einfache Schuldige präsentiert, Hunde als Projektionsfläche missbraucht und ihre Besitzer stigmatisiert”, so Christoph Jung.
Menschen mit ganz normalen Hunden wurden auf öffentlicher Strasse beschimpft, beleidigt und denunziert. Diese „Diskriminierungskampagne“ zog sich anschließend wie ein Flächenbrand gegen diese Minderheit durch ganz Europa! In seinem Schwarzbuch Hund, stellt Christoph Jung hierzu fest: „Dabei hat die Stigmatisierung bestimmter Tier- oder Menschengruppen gerade in Deutschland eine alte, unheilvolle Tradition.”
Die erste bayerische Hundeverordnung wurde kritiklos nicht nur von anderen Bundesländern in Deutschland einfach abgeschrieben und kopiert, sondern machte auch in anderen EU Ländern, wie Österreich, der Schweiz und Italien „Schule“, um gegen eine Minderheit vorzugehen.
Weitere Profiteure des Wirtschaftsfaktors Hund, sind auch Züchter. Mit dem Ergebnis, dass es heute kaum noch gesunde Rassehunde gibt. Die Lebenserwartung der Hunde hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verkürzt und erinnert an die geplante Obsoleszenz der Industrie bei Konsumartikeln. Sind Hunde der Spiegel unserer vom vermeintlichen Wachstum besessenen Industriegesellschaft und ebenfalls zu Wegwerfartikel mit verkürzter Lebenszeit verkommen?
Die eigentlichen und tatsächlichen Missstände, wie in der Hundezucht werden dagegen von Politikern bis heute ignoriert. Durch skrupellose permanente Inzucht werden jährlich Millionen verdient! Die Gesundheit, das Wohlergehen und das anschließende Leid der Tiere, durch Inzucht oder bewusste Qualzuchten, spielen bei diesem Geschäft eher eine sekundäre Rolle.
„Anstatt die Hundezucht zu regulieren und Mindeststandards einzuführen, werden reflexartig Hunde verteufelt und reglementiert, wenn wieder einmal Menschen, meist einschlägigen Milieus, versagt haben“, so Christoph Jung, Initiator des Dortmunder Appells für die Wende in der Hundezucht und Autor des Schwarzbuchs Hund“!
Teil II: Interview mit Christoph Jung
Herr Jung ist Psychologe, studierte Biologie, ist – Initiator des Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht und Autor des Schwarzbuch Hund, Die Menschen und Ihr bester Freund!
Gerade heute und gestern wieder Thema: Missbrauch von Kindern durch Eltern und Erwachsene im Allgemeinen. Täglich werde hunderte bzw. tausende Kinder sowohl sexuell also auch sonst körperlich mißbraucht. Zahlenmäßig unverhältnismäßig höher als Übergriffe von Hunden. Doch in dem ersteren Fall hat die Politik erstaunlich weniger Aktionismus in petto und steckt viel weniger Energie in neue Gesetze usw……es ärgert mich maßlos wie blind und dumm hier seitens der Politik gehandelt wird zu Lasten der Kinder….
Der Artikel stellt eine ganze Gruppe von Menschen – die Züchter – unter Generalverdacht. Wer mit der Szene vertraut ist weiß, dass den nach geltenden Standards arbeitenden Züchtern so gut wie Nichts an Ertrag bleibt. Qualzucht hin, rassetypische Krankheit her: Geld ist bis auf Ausnahmen damit nicht zu machen. Insgesamt rührt der Artikel mindestens so sehr in Klischees rum, wie der Großteil unserer Gesellschaft! Schwach recherchiert!
Sehr interessanter und gut recherchierter Artikel, wie immer, der auch mit meinen Kenntnissen übereinstimmt! Auch wenn bestimmte Leute (Züchter?) diese nicht wahr haben wollen! Vielleicht sollten die zu erst mal das Buch von Christoph Jung lesen, bevor man hier versucht durchsichtige “Lobbyarbeit” zu leisten!
These: “Weitere Profiteure des Wirtschaftsfaktors Hund, sind auch Züchter.”
Mir ist nicht klar, welche Konnotation der Begriff Profiteur hier haben soll. Jedem Menschen mit einem Mindestmaß an Wirtschaftsverstand ist klar, daß Umsatz nicht gleich Gewinn ist. Leben kann man, wenn einem die Kosten überhaupt etwas übrig lassen, nur von Letzterem. Volkswirtschaftliche Zahlen einseits und betriebswirtschaftliche Schlussfolgerungen andererseits – bei Züchtern, wie Vereinen/Verbänden – in den Zusammenhang zu stellen, führt zu Nichts. Nachdem die Autorin in ihrem Kommentar so schön ergänzt hat, welchen Aufwand die Züchter auf den unendlich vielen Ausstellungen betreiben, kann sich jeder selbst ausrechnen, was ein Züchter an Kosten hat/haben muss und was am Ende ausser viel Leidenschaft übrig bleibt. In meinem Hundeumfeld “Rassewindhunde” kenne ich keinen Züchter, der von diesem Hobby leben könnte – viele legen drauf.
These: “Mit dem Ergebnis, dass es heute kaum noch gesunde Rassehunde gibt.”
Es gibt in D ca. 345.000 Rassehundwelpen pro Jahr, davon rund 90.000 aus VDH-Zuchten. Was darf man sich als Leser unter “kaum noch” vorstellen? 1-stellige Prozentwerte und der Rest ist
krank? Wo ist das Zahlenmaterial zum Gesundheitszustand aller Rassehunde? Solche Formulierungen sind leider Boulevardjournalismus und reiten auf dem Negativbeispiel der einen oder anderen Glubschaugenqualzucht rum. Hier gehört gesagt, dass diese Ausreißer nicht die Regel sind.
These: “Die Lebenserwartung der Hunde hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verkürzt”
Auch hier wäre ich an belastbaren Quellen interessiert. Alles, was man im Netz findet, klingt wie folgt: In den Jahren von 1982 bis 1996 ist die Lebenserwartung von Hunden um über zwei Jahre gestiegen, durchschnittlich von 9,5 auf 11,6 Jahre.
Diese Entwicklung ist verschiedenen Faktoren zu verdanken, so zum Beispiel dem gewachsenen Bewusstsein für eine gezielte Altersvorsorge inklusive einer verbesserten medizinischen Versorgung und einer altersgerechten Ernährung.
Alles in allem verpuffen die im Artikel zum Teil zu Recht erhobenen Vorwürfe gegen Gesellschaft, Politik, Züchter, Verbände & Vereine, weil sie untereinander nicht abgegrenzt wurden und dem Leser ein völlig verschobenes Bild liefern.
Wenn, wie laut VDH-Satzung vorgeschrieben, die Liebhaberei Hauptmotivation der Zucht wäre, würde nicht mit erbkranken Hunden gezüchtet. Sicher gibt es seriöse Züchter und Zuchtvereine, aber es gibt eben auch das andere: Hundehändler, Zucht auf Extreme (Minis, Riesenwuchs, Raketenstellung des DSH etc), Zucht auf “Schönheit” zulasten der Gesundheit und des Wesens, Zucht mit Epilepsie, MVD, MDR1-Defekt etc.pp. Warum gibt es denn dutzende Tierkliniken, die nur damit beschäftigt sind, die Fehler der Zucht zu reparieren?
Leider gibt es weder vom VDH noch von den Tierärztekammern Zahlen zum Gesundheitszustand und Lebensalter der Hunde – warum gibt es das nicht? Ich behaupte, dass man nur kein Beweismaterial für die Missstände aufkommen lassen will (Dilemma der Zucht, Fastfood-Nahrung, Pharma-Medizin). Und selbst wenn Ihre Zahl von Durchschnittlich 11,6 Jahren stimmen würde, wäre das immer noch ein Armutszeugnis. Gesunde Hunde sollten bei der heutigen medizinischen Versorgung und guter Ernährung (nicht Fastfood) um die 15 Jahre erreichen.