Nach der Veröffentlichung eines kompromittierenden Videos der Süddeutschen Zeitung und des Spiegel endete die Regierungskoalition der OVP mit der FPÖ.
Vizekanzler Strache von der rechtspopulistischen FPÖ musste zurücktreten, im Herbst sollen vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Alle FPÖ-Minister haben heute angekündigt, die Regierung zu verlassen.
Auf dem #Ibizavideo sind Video-Ausschnitte zu sehen, die den FPÖ-Politiker Strache, den ehemaligen Vize-Bürgemeister Gudenus (FPÖ) als Übersetzer, im Gespräch mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen zeigen.
Strache schlägt in dem Video verdeckte Wahlkampfspenden über einen gemeinnützigen Verein mit drei Rechtsanwälten vor und zählt prominente Unterstützer auf, die eine solche Praxis ebenfalls nutzen würden, um an dem Rechnungshof vorbei Gelder an den Verein zu überweisen.
Laut SZ soll diese Frau 2017 angeboten haben 250 Millionen Euro in Österreich zu investieren. In dem Gespräch geht es darum, dass diese Frau die auflagenstarke Boulevardzeitung die “Kronen Zeitung”, die durch ihre tendenziöse Berichterstattung bekannt ist, mehrheitlich erwerben soll, um die FPÖ publizistisch zu fördern. Im Gegenzug soll die Frau öffentliche Aufträge erhalten.
Beweisführend zu dem Vorhaben von Strache die kritische Presse auszuschalten ist die Forderung der FPÖ Ende April 2019, den Journalisten des ORF Armin Wolf zu entlassen, nachdem er dem Europapolitiker Harald Vilimsky (FPÖ) im Fernsehen unangenehme Fragen gestellt hatte.
Laut Berichten der Süddeutschen Zeitung habe Gudenus nach dem Treffen in Ibiza wochenlang weiter Kontakt zu der vermeintlichen russischen Oligarchin und ihrem Umfeld gehabt.
Die Kronen-Zeitung gehört zu 50 Prozent der Familie Dichand, weitere 50 Prozent zur Zeit des Ibiza-Treffens in Jahr 2017 der Funke Gruppe in Deutschland, über die WAZ Ausland Holding. Im November 2018 wurde bekannt, dass 49 Prozent der Anteile durch das österreichische Immobilien- und Handelsunternehmen Signa Holding von René Benko übernommen wurde, der damit seine erste Investition im Medienbereich tätigte und damit ein Anteil von 24,5 % an der Kronen Zeitung und 24,22 % am Kurier besitzt. Auf der Gesellschafterversammlung am 22. März 2019 sollen die Vertreter der Funke-Gruppe die „sofortige Entlassung“ von Christoph Dichand als Chefredakteur und Herausgeber gefordert haben.
Bei dem Video das dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung zugespielt und nur auszugsweise veröffentlicht wurde, soll es sich um insgesamt sechs Stunden Filmmaterial handeln. Wer bei diesem Treffen in Ibiza noch anwesend war und über welche Themen noch gesprochen wurde, ist unbekannt. Kurt Kister, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung: „Auf dem Videomaterial gibt es viele entlarvende, manche eklige und etliche fast Mitleid erregende Sequenzen. Die meisten davon sind privater Natur, sie sollen das auch bleiben.“
Die Echtheit des Videos sei nach Angaben der Redaktionen durch wie Überprüfung von Bild und Ton von Datenforensikern bestätigt worden. Zudem würden den Redaktionen von SZ und Spiegel nach eigenen Angaben auch Fotos über die Rechnung der gebuchten Villa auf Ibiza vom 22. bis 25. Juli 2017 vorliegen, sowie die veröffentlichten Passagen aus dem Video einem externen Anwalt vorgespielt worden, der bezeugen könne, dass die abgedruckten Zitate mit dem Wortlaut der Aufnahmen übereinstimmen. Die auf Russisch geführten Gespräche seien von einer vereidigten Dolmetscherin übersetzt worden.
Das Video sei kurz vor der Nationalratswahl 2017 heimlich gedreht worden und laut Spiegel-Redakteurs Wolf Wiedmann-Schmidt und SZ bereits vor einzigen Monaten angeboten und endgültig vor einer Woche in einem Hotel auf einem USB-Stick übergeben worden, es sei kein Geld geflossen. Spiegel und Süddeutsche Zeitung wollen ihre Quellen nicht preis geben und lehnen es ab, das gesamte Material Behörden wie der österreichischen Justiz zu übergeben, die inzwischen ihr Interesse bekundet haben.
Das übergebene Material sei ausgewertet, die beteiligten Politiker damit konfrontiert worden und anschließend in Ausschnitten veröffentlicht worden. Der Spiegel betonte, die Aufnahmen nicht mit der Absicht vor der Europa-Wahl im Mai veröffentlicht zu haben.
Die österreichische Zeitung “Falter” habe nach eigenen Angaben von der Existenz des Videos seit dem vergangenen Jahr gewusst. Bei der österreichischen Preisverleihung “Romy” im April 2019 machte der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann detaillierte Andeutungen über die Existenz und den Inhalt des Videos.
Üblicher Opferkult der Rechtspopulisten: Bei der Pressekonferenz gab Strache am Samstag seinen Rücktritt bekannt und bezeichnete das Video besonders niederträchtig, eine „Schmutzkübel-Aktion“ gegen ihn, ein „geheimdienstlicher Angriff“ und ein „gezieltes politisches Attentat“. Sein Verhalten entschuldigte Strache als „alkoholbedingtes Machogehabe“, das „dumm“ „unverantwortlich“ und „ein Fehler“ gewesen sei.
Nach der Video-Affäre haben heute alle FPÖ-Minister angekündigt, die Regierung zu verlassen. Sie reagieren damit auf die Forderung von Bundeskanzler Kurz, Innenminister Kickl zu entlassen. Laut Tagesschau: “Nachdem Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl gefordert hatte, verkündete die Partei, alle ihre Minister aus der Regierung abzuziehen.” Kurz hatte bereits angekündigt, die freien Plätze im Kabinett mit Experten und Spitzenbeamte besetzen zu wollen und sei mit dem Bundespräsidenten besprochen worden.
Rechtspopulisten und Populisten die Gefallen an Autokraten wie Orban, Vladimir Putin und Trump finden, eignen sich nicht als demokratische Bündnispartner. Rechtspopulisten und Nationalkonservative die sich als die größten Patrioten inszenieren, um zum eigenen Vorteil und Machterhalt die Gesellschaft zu spalten und die Demokratie zu schädigen.
Der Skandal in Österreich zeigt nicht nur die tatsächliche Geisteshaltung von Strache, der für seinen Machterhalt sogar bereit war, einen Kooperationsvertrag mit der Partei Vladimir Putins abzuschließen und sein Land zu verraten, sondern aller Rechtspopulkisten in Europa. Der deutsche Verfassungsschutz sprach Österreich inzwischen zum wiederholten Mal sein Misstrauen aus.
Der Zulauf, die Machenschaften und Korruption der Demokratiefeinde, Nationalisten und Rechtspopulisten in Österreich, wie auch in Deutschland und im restlichen Europa, sind das Ergebnis einer Klientel-Politik der etablierten Parteien die über Jahrzehnte an der Bevölkerung vorbei für Lobbyisten und Konzerne regierten und nicht für das Wohlergehen der Bevölkerung sorgten. Etablierte Parteien, die den Willen der mehrheitlichen Bevölkerung für soziale Gerechtigkeit, Umwelt-, Natur, Tierschutz und eine Klimapolitik ignorierten und damit die Demokratie schädigten, sind für den Rechtsruck verantwortlich.
Die Grundwerte der Europäischen Union sind in Art. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) verankert: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte. Die Werte, also die Regeln für die Gesellschaft in Deutschland, sind im Grundgesetz verankert, wie Menschen-, und Bürgerrechte und sind von jedem einzuhalten – auch von Politikern.
Wer für seinen Machterhalt bereit ist diese Werte zu opfern, mit Füssen zu treten, um sein Land und die Bevölkerung zu schädigen, fliegt irgend wann auf und muss die politische Bühne verlassen. Diese Erfahrung wird auch Sebastian Kurz machen.
Die Geschehnisse in Österreich jetzt kurz vor den Europawahlen verdeutlichen wie wichtig der Kampf für die Freiheit und den Erhalt der Demokratie ist.
Astrid Ebenhoch ist Journalistin und Herausgeberin von Hounds & People.
Kommentare sind geschlossen, Trackbacks und Pingbacks offen.