1) Jeder Hund ist gefährlich.
Dieser Glaube liegt den Hundegesetzen zugrunde. Daraus wird der Leinen- und Maulkorbzwang abgeleitet. Tatsache ist: 99% der sechs Millionen Hunde in Deutschland sind friedfertig.
Die amerikanische Autorin Janis Bradley (Hunde können beißen, 2007) wehrt sich mit Zahlen und Argumenten gegen die Behauptung, Hunde seien gefährlich.
Ihre Thesen:
- Hunde töten so gut wie nie einen Menschen.
- Tatsächlich beißen Hunde relativ selten. Passiert es trotzdem, wird selten jemand verletzt.
- Wenn jemand verletzt wird, sind es selten schwere Verletzungen
Die Autorin will nicht verharmlosen, sondern relativieren: „Es ist wahrscheinlicher, dass ein Kind durch einen Luftballon erstickt oder einen tödlichen Sturz von einer Schaukel erleidet, als dass es von einem Hund tödlich verletzt wird.“
2) Hundegesetze verhindern Beißunfälle
Nach der Verabschiedung des neuen Hundegesetzes 2011 in Niedersachsen sagte der zuständige Minister Gert Lindemann: „Das neue Hundegesetz stärkt den Tierschutz und hilft, Beißunfälle zu vermeiden.“
Zum Tierschutz: Man muss schon eine Weile nachdenken, was Lindemann eigentlich meint. Die Hunde kann er nicht gemeint haben, schon eher die Wildtiere. Lindemann ist nämlich Jäger. Und Hunde dürfen nicht hinter Hasen und Rehen herlaufen. Die gehören den Jägern.
Wieso das Hundegesetz Beißunfälle vermeiden hilft, ist nicht bekannt und wird wohl das Geheimnis von Herrn Lindemann bleiben. Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier handelt es sich nicht um den Lottogewinner Lindemann aus dem Sketsch von Loriot.
Zurück zur Situation in Deutschland. Alle Hunde, die im letzten Jahr auffällig wurden, waren in Zwingern untergebracht, nicht sozialisiert und hatten kaum Familienanschluss. Die Zwingerhaltung verstößt gegen die bundesweit geltende Tierschutzhunde-Verordnung, wo die artgerechte Haltung zwingend vorgeschrieben ist. Das heißt konkret, dass die Hunde täglich Auslauf haben müssen, nicht nur, weil der Hund ein Lauftier ist, sondern auch wegen der sozialen Kontakte mit Menschen und anderen Hunden. Die Landesparlamente sollten deshalb die Zwingerhaltung in den Hundegesetzen ausdrücklich verbieten.
3) Der Hund muss aufs Wort gehorchen
Ein Wolf, der ein Rudel anführt, ist ohne Zweifel ein Alphatier. Doch der Hund ist genau so wenig ein Wolf wie der Mensch ein Affe ist, trotz seiner Abstammung. Dass unsere Haushunde nach Dominanz streben, um das „Rudel Familie“ zu führen, ist eine Erfindung von Hundetrainern, die christlich erzogen sind, zum Gehorsam gegenüber ihren Eltern, die ihnen beigebracht haben, dass der Mensch die Krönung der Schöpfung und der Hund dem Menschen untertan sei. Sie ignorieren, dass Charles Darwin dem schon vor einhundertfünfzig Jahren widersprochen hat. Biologisch betrachtet sind wir Menschen Wirbeltiere und gehören deshalb zur Kategorie der Säugetiere, wie Wölfe und Hunde auch. In diesem Sinne gibt es keine Sonderstellung des Menschen. Für den Autor und Hundetrainer Uli Köppel (Rudelkonzept) ist der Hund ein Untergebener. Wer bei seiner Arbeit kein Chef ist, kann es nach dem Rudelkonzept zu Hause sein. Der glückliche Hundehalter!
4) Trockenfutter enthält alles, was ein Hund braucht.
Die milliardenschwere Futtermittelindustrie hat es auch bei Hundefutter geschafft, den Eindruck zu erwecken, dass Hundehalter mit Fertigfutter auf der sicheren Seite sind. Vier Unternehmen beherrschen etwa 80% des Marktes: Nestle (Purina, Friskies), Colgate-Palmolive (Hill`s), Procter & Gamble (Eukanuba) und MARS (Whiskas, Pedigree). Quelle: SPIEGEL 30/2010).
Die Stiftung Warentest untersucht regelmäßig Tierfutter, zuletzt Trockenfutter für Hunde (test 11/2010). Dort heißt es: “Die meisten Trockenfutter im Test eignen sich bedenkenlos als tagtägliches Alleinfutter für Hunde.“
Allerdings weist der Testbericht darauf hin, dass im Dunkeln bleibe, was wirklich drin ist, denn die genauen Zutaten müssen die Anbieter nicht angeben. Es genügen allgemeine Angaben wie zum Beispiel Fleisch, Gemüse, Getreide, Öle und Fette.
Die Testergebnisse zeigen ein Zerrbild. Mehr dazu hier bei Hounds & People, Interview mit Hans-Ulrich Grimm, 2. November 2010.
Die Tierärztin Jutta Ziegler schreibt in ihrem Buch „Hunde würden länger leben, wenn … – Schwarzbuch Tierarzt“ ( München 2011):
Fast jedes Fertigfutter ist eine künstlich im Labor zusammen gepanschte Chemiepampe.
Jutta Ziegler wendet sich in ihrem Schwarzbuch vehement gegen die weit verbreitete Auffassung, die leider auch von Wissenschaftler vertreten wird, dass im Fertigfutter alles enthalten sei, was der Hund braucht. Die Autorin ist dagegen der Meinung, dass die großen Konzerne kein Fertigfutter in guter Qualität liefern. Sie verarbeiten Rohstoffe der Kategorie 3, was nach der EU-Verordnung zugelassen ist: Das sind Schlachtabfälle wie Knochen Haare, Schwarten, Fette, Häute, Federn und Eierschalen.
5) Das Ziel bei einem Leben mit Hund muss ein harmonisches Miteinander sein, konfliktfrei, zwischen Hundehaltern und Nicht-Hundehaltern.
Der Hund muss perfekt funktionieren, niemand belästigen und nur das tun, was man von ihm verlangt. Das ist das Ziel der Erziehung und der Hundezucht.
Wer unbedingt einen Hund haben möchte, so die Vorstellung des Gesetzgebers, muss auch dafür sorgen, dass er perfekt funktioniert: Er muss aufs Wort gehorchen und sich so verhalten wie es sich die Bürger wünschen, nämlich brav. Und der Gesetzgeber macht vor allen, die keine Hunde mögen oder gar hassen eine Verbeugung: Der Hund darf niemand belästigen, ist stets an der Leine zu führen und kann schon deshalb keinen Hasen oder Rotwild jagen. Das dürfen nur Jagdhunde.
Wir müssen ihn schleunigst züchten, den perfekten Hund. Doch solange Hunde genau so wenig perfekt sind wie Menschen, wird auch die Angst vor Hunden nicht total verschwinden. Die Berichterstattung in Zeitungen und Fernsehen über Verletzungen, die durch Hunde verursacht worden sind, trägt zu dieser Hysterie bei. Hinzu kommt, dass die meisten Deutschen von Autos und Fußball sehr viel mehr verstehen als von Hunden.
Karl-Heinz-List ist Unternehmens-, Personalberater und Autor.
Gut geschrieben