Bleibt es bei der Meinung des LG Heilbronn? Kein Tierschutzrecht mehr in deutschen Massentierställen? Beschwerde jetzt beim Verfassungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg anhängig (1 Vb 72/18)
Am 15.02.2019 wurde durch eine Meldung des Südwestfunks und der Stuttgarter Zeitung die Verfassungsbeschwerde des Stallfilmers Jonathan Steinhauser gegen seine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs im sogenannten „Putenstallprozess“ in Baden-Württemberg bekannt, die vor allem die skandalöse Begründung des Urteils des Landgerichts Heilbronn und den nachfolgenden „Schweigebeschluss“ des Oberlandesgerichts nachdrücklich in Frage stellt.
Danach wäre künftig in Massentierhaltungen jede Form von Schmerz- und Leidenszufügung im Bereich der Massentierhaltung erlaubt.
Das LG Heilbronn glaubt in seinem Urteil vom 23. Mai 2017 so den Willen des Gesetzgebers verwirklicht zu sehen, weil „die schlimmen Zustände in Massentiermästereien wie z.B. bei den Puten Federpicken, zu wenig Auslauf, Deformationen aufgrund des großen Gewichts, die allgemein bekannte Folge“ sei und dies „ zumindest derzeit noch als „sozial adäquat” und im oben genannten Spannungsverhältnis zwischen Tierwohl und Nahrungsmittelproduktion als hinnehmbar, also mit „vernünftigem Grund” und damit in Übereinstimmung mit dem Tierschutzgesetz“ geschehe.
Dazu der erste Vorsitzende der Erna-Graff-Stiftung Staatssekretär a.D. Hans-Georg Kluge (CDU):
„Das vom OLG Stuttgart bestätigte Urteil des Landgerichts Heilbronn versucht, das Tierschutzrecht in deutschen Ställen flächendeckend außer Kraft zu setzen. Mich als Herausgeber eines Kommentars zum Tierschutzgesetz und langjährigen Richter empört, dass hochrangige Richter ein gegenläufiges Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1987, auf das sie rechtzeitig aufmerksam gemacht worden waren, vorsätzlich ignoriert haben. Zumindest richterlicher Ethos wurde hier kleingeschrieben“.
Der Tierschützer Jonathan Steinhauser, der 2015 zusammen mit zwei Mitstreitern in einem Putenstall in Baden-Württemberg schlimme, von Sachverständigen bestätigte Zustände entdeckte und filmte, wurde zunächst vom Landgericht Heilbronn, dann bestätigend vom Oberlandesgericht Stuttgart rechtskräftig verurteilt.
Zusammen mit der bei der Verfassungsbeschwerde federführenden Albert- Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt unterstützt die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz den Tierschützer juristisch und finanziell schon seit längerem mit dem Ziel der Urteilsaufhebung.
Die Argumentation des LG Heilbronn hat folgerichtig die Auswirkung, dass geltendes Tierschutzrecht in der Massentierhaltung nicht angewendet wird und Veterinärämter keinerlei Möglichkeiten der Einflussnahme oder Korrektur zum Schutz der Tiere in den Mastbetrieben haben.
Das setzt das Tierschutzgesetz in weiten Teilen außer Kraft und macht es zu einem wirkungslosen Symbolgesetz, was aus tierschützerischer Sicht nicht hinzunehmen ist. Es widerspricht zudem, wie erwähnt, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der bereits 1987 entschieden hat, dass das Tierschutzgesetz auch in der Massentierhaltung anzuwenden ist (- 2 StR 159/86 -).
Hier die Verfassungsbeschwerde
Stuttgarter Zeitung: Kaum Kontrollen in Tierställen
Stuttgarter Zeitung: Das Bauernopfer
Siehe auch:
- Glyphosat: Schlappe für Bayer in Frankreich
- Offener Brief zum Weltbauerntag an Angela Merkel
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- Bauernverband und Bauern – Jetzt reicht´s!
- Die grünen Lügen der Politiker, Agrarlobby und Konzerne
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- Entscheidung über Zulassungsverlängerung von Glyphosat vertagt
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