Der ehemalige Präsident Barack Obama, spricht in einem Interview mit Markus Lanz über die aktuelle politische Lage in Amerika und sein Buch “Ein verheißenes Land” indem er Einblicke über seine Zeit als Präsident und das Leben mit seiner Familie im Weissen Haus gibt.
Er sei nicht überrascht, dass Donald Trump seine Wahlniederlage nicht wirklich anerkennt. Es verhindere allerdings den reibungslosen Amtsantritt Joe Bidens, so Obama.
Er erinnert sich an den reibungslosen und angenehmen Regierungswechsel zwischen George W. Bush und ihm, trotz großer politischer Differenzen. „Aber ich freue mich sehr für Joe Biden und Kamala Harris. Sie sind langjährige Freunde und werden großartige Arbeit leisten“, so Obama.
Obama blickt auf seine Zeit als Präsident zurück. Nachdem er wie keiner seiner Vorgänger so viele Drohungen bekommen hat, seien die Sicherheitsvorkehrungen für ihn und seine Familie besonders hoch gewesen.
Umso wichtiger sei es seiner Frau, Michelle Obama, gewesen die Zimmer der Kinder modern und wohnlich zu gestalten. Die Kinder sollten nicht in einem Museum leben.
“Die grösste psychologische Anpassungsleistung hat mit der Sicherheitsblase zu tun, in der man plötzlich lebt. Für mich begann das sehr früh, da ich als Präsidentschaftskandidat mehr Drohungen erhielt als Kandidaten vor mir.”
Nach der Ernennung zum Präsidenten sei die Abschirmung dann perfekt gewesen und es habe sich alles geändert. “Man geht nicht mehr durch die Lobby ins Hotel, sondern durch einen Hintereingang. Scharfschützen auf dem Dach. Das normale menschliche Miteinander verändert sich plötzlich. Man sitzt in dieser Sicherheitsblase. “Daran habe ich mich nie gewöhnt.” Darüber habe er auch in seinem Buch geschrieben.
Selbst zwei Jahre nach seinem Amtsantritt hätte er immer den gleichen Traum gehabt: “Ich gehe durch eine Stadt und keiner kennt mich.” Diese Vorstellung sich anonym durch die Welt bewegen zu können, habe ihn nie verlassen. Der Verlust der Anonymität würde einem erst bewusst, wenn man sie verloren hätte. Das Privileg als Präsident dienen zu dürfen, habe alles aufgehoben, aber er habe sich niemals vollständig daran gewöhnt. “Die Anonymität kommt nicht wieder.”
Die Sicherheitsvorkehrungen seien heute zwar nicht mehr so streng, aber der Prominentenstatus würde bleiben. “Ich hatte immer gedacht, wenn ich erst einmal nicht mehr Präsident bin, wird alles normal”. Er habe es ein paar mal versucht, als er einmal in New York gewesen sei und einfach mal durch den Central Park spazieren gehen wollte. Oder als er in Mailand war und von dem Hotel aus, das sich mitten auf dem Domplatz befindet, einfach den Domplatz überqueren wollte. Als nach kurzer Zeit mehr als 5000 Menschen vor dem Hotel gestanden seien, sei ihm klar geworden, “dieser Teil meines Lebens ist vorbei”.
Familie und Freunde hatten ihm während seiner Zeit als Präsident Stabilität gegeben. Er und seine Frau Michelle hätten es ganz gut hinbekommen, sich selbst treu zu bleiben und ihren Kindern zu vermitteln, dass diese Zeit einmal vorbei sein wird.
“Ich weiss, dass sich dies vielleicht seltsam anhört, aber man muss wissen wie man durchs Leben geht, dass man nicht besser ist als andere.” Es sei ein Geschenk und er ist sehr stolz darauf, dass seine Töchter Mailia und Sascha so tolle junge Frauen geworden seien, die sich nicht als etwas besonderes fühlen würden, sondern freundlich und höflich zu allen seien und keine Privilegien für sich beanspruchen würden.
Über die Zeit im Oval Office sagte Obama: “Bill Clinton nannte das Weisse Haus das Kronjuwel im amerikanischen Strafvollzug.” Das Weisse Haus habe den Vorteil gehabt, dass alle zu ihm gekommen seien und er niemanden hätte besuchen müssen. Zum Arbeiten im Weissen Haus sagte Obama: “Von der Wohnung im Weissen Haus geht man zu Fuss eine Minute ins Oval Office.” Er sei jeden Tag zum Abendessen zu Hause gewesen. Er habe seine Töchter viel häufiger gesehen, als vor seiner Präsidentschaft.
Kein Präsident könne bei Null anfangen, jeder Präsident würde viele Entscheidungen der Vorgänger erben, auch wenn neue Dinge hinzukämen. Der Umgang damit sei sehr zeitaufwändig. “Bei mir war es die Finanzkrise, der Irakkrieg, der Krieg in Afghanistan”, so Barack Obama in dem Interview. Die Kriege zu beenden, sei sehr schwierig gewesen. Es habe zwei Jahre gedauert, den Grossteil der US-Truppen im Irak abzuziehen. In dem instabilen Afghanistan habe er die Truppen aufstocken müssen, um zu verhindern, dass die Regierung in Kabul zusammenbricht.
Keine Entscheidung sei perfekt gewesen, man würde als Präsident lernen, mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten. “Die Chance für eine Verbesserung steht vielleicht bei 55 % und für eine Verschlechterung bei 45 % und man weiss nicht genau ob es funktionieren wird. In jedem Fall nur selten so wie beabsichtigt.”
Die Entscheidungslast besonders im Krieg und in der Terrorismusbekämpfung sei enorm gewesen. “Man hat Verantwortung für junge Menschen, die man dem Risiko zu sterben oder schwerer Verletzungen aussetzt.” Er habe sich nie daran gewöhnt Briefe von gefallenen Soldaten unterzeichnen zu müssen, dies würde bleiben. Er habe Lazerette mit verwundeten Soldaten besucht. Dies habe ihn gelehrt, dass es selbst bei gerechtfertigten Kriegen wie in Afghanistan, immer eine Tragödie gibt. In jedem Krieg. “Ich habe mich damit nie wohl gefühlt, habe mich damit nie abgefunden, wie viele Menschenleben es kostet.”
Barack Obama beendete den ersten Band seier Memoiren, mit der Szene beim Correspondents Dinner 2011 als er Witze über Donald Trump machte nachdem er verbreitet hatte, dass er nicht in Amerika geboren sei, während zur gleichen Zeit Navy-Seals Bin Laden töteten, weil dies den roten Faden des Buchs aufgreiffen würde. “Nämlich, dass Amerika diese unglaubliche Fähigkeit hat, zusammenzuarbeiten und Schwierigkeiten zu überwinden.”
Der Angriff auf Bin Laden sei ein sehr schwieriger und riskanter Einsatz gewesen. Es habe keine Garantie gegeben, dass der Einsatz erfolreich sein würde. Ein Misserfolg hätte weitreichende diplomatische und politische Folgen gehabt. Während er vor diesen schwerwiegenden Entscheidungen stand, sah er den Politzirkus im Land.
Die Verschwörungstheorien die von Trump genährt wurden, dass ich nicht in den USA geboren sei, seien bereits Jahre zuvor im Internet herumgegeistert. Barack Obama habe aber nicht erwartet, dass die Medien Donald Trump ernst nehmen. “Ich beschreibe in einem Kapitel meine Wut und meinen Frust, mich mit diesen absurden Vorwürfen auseinander setzen zu müssen, während wir uns auf den Einsatz der Navy-Seals konzentrierten, wo mutige und hochqualifizierte Menschen ihr Leben aufs Spiel setzten.”
Barack Obama beschrieb bereits 2007, dass die amerikanischen Wirtschaft mehr Ungleichheit produziert als jedes andere westliche Land. Donald Trump sei aber nicht die Antwort darauf, die Probleme habe es bereits vorher gegeben und würde es auch noch nach ihm geben.
In den USA habe es schon immer konkurrierende Ansichten zu tiefer liegenden Themen gegeben. “Einerseits haben wir die Unabhängigkeitserklärung, alle Menschen sind gleich. Andererseits hatten wir die Sklaverei, Frauen und Mittellose hatten kein Wahlrecht, Ureinwohner hatten keine Rechte. Ein Teil der Geschichte Amerikas besteht in diesem Kampf.”
“Einerseits soll “Wir das Volk” für noch grössere Teile der Bevölkerung gelten, sollen noch mehr Menschen an Demokratie, Wirtschaft und Chancengleichheit teilhaben können. Andrerseits gibt es die Sichtweise, diese Privilegien gelten nicht für alle. Der Konflikt verläuft oft entlang ethnischer und sozialer Trennungslinien”, so der ehemalige Präsident Barack Obama.
Seit der Staatsgründung hätten die USA grosse Fortschritte gemacht. Als Präsident habe Barack Obama versucht die Demokratie zu stärken, die Probleme seien aber immer noch nicht beseitigt. Donald Trump und viele Republikaner hätten oft versucht, die Reibungen in der Gesellschaft für sich zu auszunutzen.
Es sei wahr, dass es viele Wähler, weisse Arbeiter, in ländlichen Regionen gibt, fern ab von Städten, die die Globalisierung ablehnen und über Technologiewandel, kulturelle Veränderungen und dem demographischen Wandel frustriert seien. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Europa.
Progressive müssten bessere Antworten für den Aufbau eines Wirtschaftssystems finden, indem Arbeiter, Handwerker und Menschen ausserhalb der Metropolen nicht das Gefühl haben, nicht mithalten zu können und abgehängt, zurückgelassen worden zu sein.
“Das Land ist gespalten, keiner weiss aktuell wie es enden wird”, so Obama. Er sei aber zuversichtlich und optimistisch, dass die Vision eines integrativen Amerikas siegen wird, wie das Wahlverhalten und die Einstellung der jungen Generation zeigen würde.
Menschen haben ein Anrecht auf Achtung und Würde, ungeachtet von Rasse, Religion oder sexueller Orientierung. Dies habe man bereits an den Protesten der Bevölkerung nach dem Mord von George Floyd gegen Polizeigewalt gegen Schwarze gesehen. Diese Proteste seien nicht nur von Afroamerikanern ausgegangen, sondern von Menschen aus der gesamten Gesellschaft. “Das ist die Zukunft Amerikas”, so Obama.
Aber auch die Rückwärtsgewandten hätten im politischen Amerika eine laute Stimme, die auch den Widerstand der Republikaner erklären würde, nachdem während seiner Präsidentschaft die Krankenversicherung auf den Weg gebracht wurde. Die im Übrigen keine linksliberale Idee gewesen sei, sondern ein Modell das bereits von dem Republikaner Mitt Romney in seinem Staat eingeführt wurde.
Vor dem Hass gegen ihn hätte er keine Angst gehabt, nachdem der Secret Service sehr gute Arbeit leistet. Der Hass gegen ihn sei nicht nur von Fox-News, sondern auch von den Mainstream-Medien geschürt worden. Dies zeige eine Zersplitterung der Medienlandschaft, die durch die sozialen Medien beschleunigt würde.
Früher habe es drei Nachrichtensender gegeben und alle hätten diese gesehen, ob konservativ oder liberal, ob Demokraten oder Republikaner. “Über die Fakten war man sich einig. Jetzt haben wir eine alternative Realität. Nehmen Sie Fox-News oder Rush Limbaugh. Gehen Sie zu Facebook oder diesen rechtsextremen Seiten. Alles ist nur erfunden”, so Barack Obama.
Zu den Nutzern könne man nur schwer durchdringen. Die Folgen dieses Realitätsverlustes seien jetzt auch im Umgang mit Corona zu sehen. “Während wir uns hier unterhalten, explodieren die Infektionszahlen. Die Anzahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle steigen dramatisch und das Weisse Haus behauptet trotzdem: Alles wird gut! Viele Menschen in diesem Land glauben dies.” Dabei seien gerade dort wo man keine Masken trägt und keinen Abstand hält, die Fallzahlen am höchsten.
Obama sei bewusst geworden, nachdem 70 Millionen Amerikaner trotzdem Trump gewählt hätten, dass die Wahlentscheidung der Menschen nicht auf politischen Programmen oder Fakten basiert, sondern auf einem Narrativ, also auf einer Geschichte die zu ihrem Leben und ihrer Welt passt.
Er sei gewählt worden, weil er eine ziemlich gute Geschichte erzählte, wie Amerika sein kann und sein sollte.”Meine Wähler kannten wohl kaum jedes Detail meiner Pläne für Krankenversicherung und Immigration, aber sie kannten meine Vision. Trump Wähler bekennen sich zu seiner Story und finden darin halt.”
Für Menschen die sich für eine Geschichte entschieden haben, sei es sehr schwer das Narrativ zu ändern. “Fakten die der eigenen Sicht widersprechen, würden ausgeblendet. In der heutigen Medienlandschaft und im Internet, kann jeder seine eigenen Fakten auswählen, man muss keine Gegenmeinung anhören. Das macht es leichter, Fakten zu ignorieren und jemanden zu unterstützen, der sich als inkompetent erwiesen hat. Das ist ein dauerhaftes Problem für die Demokratie”, so Obama.
Demokratie würde aber in Ländern, wie in den USA mit einer grossen Vielfalt, bedeuten, dass man sich über grundlegende Fakten einig ist. Über das Handeln könne man unterschiedlich denken. Man könne sich uneinig darüber sein, wie man mit dem Klimawandel umgeht, aber nicht darüber, dass er existiert. “Wenn sie den Temperaranstieg aber leugnen und sagen, das ist alles nur erfunden, dann wird es richtig schwierig eine Lösung zu finden. Das müssen wir angehen, nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Europa.
In seinem Leben von so vielen starken Frauen umgeben zu sein, habe Barack Obama sehr klar gezeigt, wie wichtig es sei Frauen Gehör zu schenken und sie in Führungsverantwortung zu bringen. Es sei grossartig, dass Kamala Harris Fizepräsidentin sei. Wie auch Angela Merkel die Deutschland und Europa die Geschicke lenken würde. Frauen hätten die Fähigkeit kluge Entscheidungen zu treffen, nachdem sie nicht wie Männer von ihrem Ego angetrieben würden und meinen sie müssten permanent etwas beweisen.
“Sie erledigen Dinge einfach.” Männer seien einfach stärker ego-getrieben, als aufgabenorientiert. “Michelle und meine Töchter haben mich in dieser ganzen verrückten Zeit davor bewahrt, den Verstand zu verlieren, so Barack Obama in dem ZDF-Interview mit Markus Lanz.
In seinen gerade erschienenen Buch “Ein verheißenes Land”gewährt Barack Obama Einblicke in sein Leben als Ehemann, Vater und Präsident.
Barack Obama wurde 1961 in Honolulu, Hawaii, geboren. Er war von 2009 bis 2017 der 44. Präsident der Vereinigten Staaten.
Obama ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt, US-Verfassungsrecht. Im Jahr 1992 schloss er sich der Demokratischen Partei an, für die er 1997 Mitglied im Senat von Illinois wurde. Bei der Präsidentschaftswahl des Jahres 2008 errang er die Kandidatur seiner Partei und setzte sich dann gegen den Republikaner John McCain durch. Mit seinem Einzug in das Weiße Haus im Januar 2009 bekleidete erstmals ein Afroamerikaner das Amt des Präsidenten. Am 10. Dezember 2009 erhielt Barack Obama den Friedensnobelpreis. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern Sasha und Malia in Washington.
Pressestimmen: »Obama schreibt sehr leichtfüßig, unangestrengt, immer wieder humorvoll. Ein uneitler, selbstkritischer Ton.”« ― Deutschlandfunk Kultur „Lesart“
»Obama spricht erstaunlich offen über seine Begegnungen mit dem globalen Führungspersonal.« ― Süddeutsche Zeitung
»Eine sehr selbstkritische Biografie.« ― Jürgen Trittin, Deutschlandfunk Kultur
»Eine triviale Rückschau ist das nicht. Der Demokrat bewertet messerscharf, wie sich sein Land seither entwickelt hat.« ― Kleine Zeitung
»Eine Antwort auf die vergangenen vier Jahre; eine Rechtfertigung von Obamas eigener Politik und ein Erklärungsversuch für Trumps starken Rückhalt in der Bevölkerung.« ― NDR1 „Kulturspiegel“
»Ein lesenswertes Buch über die Welt des Barack Obama.« ― Bayern 2 „kulturWelt”
Here the interview also in english