Wir führten mit dem Tierarzt Ralf Unna aus Köln, der sich seit vielen Jahren für Tierschutz, auch in der Nutztierhaltung einsetzt, ein Interview.
Hounds & People: Guten Tag Herr Dr. Unna
Dr. Unna: Hallo Frau Ebenhoch
Hounds & People: Ist eine solche Forderung des Bauernverband indiziert oder ist das eine erneute Hysterie?
Dr. Unna: Das ist ein Ablenkungsmanöver des Bauernverbandes: Wildschweine sind sozial lebende, ortsgebundene Tiere. Sie sind damit unverdächtig für die rasante Ausbreitung der Infektion ursächlich zu sein.
Schweinetransporte über hunderte von Kilometern in Verbindung mit ungenügenden Desinfektionsmaßnahmen auf Seiten der Landwirte und Spediteure sind dagegen sehr wohl verantwortlich!
Hounds & People: Wie entstand die Afrikanische Schweinepest und wie kommt diese nach Deutschland?
Dr. Unna: Nach Deutschland kann sie über die unsinnigen Transporte des agrar-Industriellen Komplexes. In Afrika ist sie bei Wildtieren endemisch.
Hounds & People: Jagdverbände fordern inzwischen ja schon staatliche Abschussprämien für organisierte Drückjagden und forden die Bauern auf ihr Land durch Schuss-Schneisen in den Maisfeldern so zu gestalten, dass eine solche Wilschweinjagd möglich ist.
Sollten Drückjagden nicht vielmehr endlich verboten werden, wodurch das Wild immer scheuer wird und wie Evolutionswissenschaftler nachgewiesen haben, die Population dadurch erhöht wird?
Dr. Unna: Ja.
Hounds & People: Bei den Jägern wird bereits darüber diskutiert, die Schonzeit für Jung und Muttertiere aufzuheben. Die Jagd auf Frischlinge und Wildschweine im zweiten Lebensjahr ist ja bereits jetzt ganzjährig möglich. Auch wird darüber diskutiert Jungtiere durch den Abschuss der Bache verdursten zu lassen, nachdem die Frischlinge bei einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinegrippe ohnehin die ersten wären die abgeschossen würden.
Was halten sie von einem solchen Vorgehen?
Dr. Unna: Das ist als klar tierschutzrelevant einzustufen und zeigt die Geisteshaltung der Jagdverbände.
Hounds & People: Für den Menschen ist dieser Virus ja ungefährlich, der aber vom Menschen auf die Schweine in der Massentierhaltung mit ihrem geschwächten Immunsystem übertragen werden kann. Ist die Afrikanische Schweinegrippe nicht vielmehr ein weiteres Symptom für ein krankes, skrupelloses System auf Kosten der Tiere, um den Profit und die Überproduktion durch die Massentierhaltung aufrecht zu erhalten?
Dr. Unna: Genau so ist das.
Hounds & People: Einen erhöhten Infektionsdruck gibt es ja bei den Wildschweinen nicht, im Gegensatz zu den Schweinen in der Massentierhaltung die Unmengen an Antibiotika verabreicht bekommen um nicht krank zu werden. Wenn also Wildschweine im Gegensatz zu den armen Schweinen in der Massentierhaltung ein stabiles Immunsystem haben und vielleicht nur der Träger des Virus sind, warum sollen sie dann abgeschossen werden?
Dr. Unna: Zunächst können Wildschweine tatsächlich der Überträger sein. Da der Mensch den Wolf in der Vergangenheit in Deutschland ausgerottet hat, hatten die Tiere keine natürlichen Feinde mehr. Daher war eine vernünftige Populationskontrolle aus meiner Sicht sinnvoll.
Seit wenigen Jahren ist der Wolf zurück in unserem Land. Diese Entwicklung sollten wir fördern und nicht bekämpfen, wie es die Jägerschaft fordert. Bis das natürliche Gleichgewicht hergestellt ist werden aber vermutlich noch viele Jahre vergehen. Bis dahin ist eine wissenschaftlich begleitete Jagd durch Förster und Berufsjäger vermutlich notwendig.
Hounds & People: Wenn die Afrikanische Schweinegrippe ausbricht, wer soll dann das Fleisch von den vielen geschossenen Wildschweinen kaufen? Die Futtermittelindustrie?
Dr. Unna: Fleisch von infizierten Tieren muss unschädlich vernichtet werden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Grundsätzlich gibt es in Deutschland nur untaugliches und taugliches Fleisch – ohne Unterscheidung der weiteren Verwendung.
Hounds & People: Ist die Afrikanische Schweinegrippe nicht vielmehr auch ein Vorwand der Jäger, um die Wildschweine endlich loszuwerden?
Dr. Unna: Wildschweine werden wir immer in Deutschland haben, selbst wenn die geforderten Abschußstrecken realistisch wären. Das sind sie aber nicht.
Hounds & People: Sollen wir künftig alle Säugetiere abschießen, die als Träger gleich welchen Virus in Frage kommen, um weiterhin die tierschutzrelevante Massentierhaltung betreiben zu können?
Dr. Unna: Aus meiner Sicht nein.
Hounds & People: Waren die Erkrankungen wie z.B. auch die Vogelgrippe die in der Vergangenheit aufgetreten sind, nicht vielmehr die Ergebnisse der Massentierhaltung?
Dr. Unna: Das müssen wir im Einzelfall betrachten. Manche Erkrankungen haben auch ursächlich nichts mit der tierschutzrelevanten Massentierhaltung zu tun – werden aber sehr wohl durch die hohe Tierdichte und die langen Transportwege deutlich schneller und weiter verbreitet.
Hounds & People: Wäre das Immunsystem bei Nutztieren die artgemäß und stressfrei gehalten würden, dann nicht ebenso stabil wie das von Wildscheinen und die Infektionsgefahr dann auch geringer?
Dr. Unna: Immunsysteme reagieren grundsätzlich negativ aus anhaltende äußere Stressoren. Wildtiere sind in der Regel besser vor Infektionskrankheiten geschützt – oder leben und überleben mit ihnen – als Haustiere. Dies gilt nicht in allen Fällen aber hinreichend oft. Daraus abzuleiten, dass Hausschweine bei art- und tiergerechter Haltung die selbe Robustheit zeigen erscheint mir aber gewagt.
Hounds & People: Was müsste sich endlich ändern und warum wird dies vor allem vom Bauernverband permanent verhindert? In Bayern sind übrigens 80 % der Bauern auch Jäger.
Dr. Unna: Wir brauchen eine grundsätzliche Agrarwende hin zu nachhaltiger und artgerechter Tierhaltung. Sollte dies gelingen ist für mich persönlich der Anteil der Jäger an der Bauernschaft nicht mehr relevant. Im Zweifelsfall haben Landwirte die jagen einen größere Nähe zum Tier als Bankdirektoren oder Juristen…
Siehe auch:
- Gibt es für die Jagd einen „vernünftigen Grund“?
- Verfassungsbeschwerden gegen neues Bundesjagdgesetz
- Rotkäppchen und der Wolf
- Hilfe, Hilfe! Ich habe einen Wolf gesehen!
- Novellierung des Jagdgesetzes NRW: Forderungen des Landesjagdverbands tierschutzwidrig!
- Reform des Jagdrechts in NRW – Drastisches Abschussverbot
- Jäger, Parteibuch, CDU, Klüngel – Leinenzwang in Niedersachsen
Die Drückjagd ist eine Gesellschaftsjagd, bei der das Wild durch Treiber aufgescheucht und zu den stehenden Jägern getrieben wird, die es abschiessen.
Mit Drohnen auf Wildschweine: Bayerns Jäger rüsten auf mit Unterstützung der Regierung
Wölfe, Luchse, Bären und Elche für deutsche Wälder
Prof. Josef Reichholf: Jägerlatein und Wildbiologie
Jagd Reguliert nicht – Vortrag von Gottlieb Dandliker
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