Warum man hier immer einen Sündenbock braucht!
Nach einer Fernsehreportage über Amazon – der Konzern soll Leiharbeiter unter unmenschlichen Bedingungen beschäftigt haben – wird sich hier wieder einmal künstlich aufgeregt und tut so, als sei dies ein verwerflicher Einzelfall eines ausländischen Konzerns, in “Saubermann” Land.
Bemerkenswert hierbei ist wieder einmal, dass wie meist, genau die Parteien am lautesten protestieren, deren Politiker seit Langem links reden, rechts leben und für die soziale Entwicklung in diesem Land mitverantwortlich sind.
Deutsche Heuchelei
Seit mehr als 20 Jahren beschäftigen Deutsche Firmen und Konzerne Leiharbeiter und ist inzwischen Usus. Outcourcing heißt das “Zauberwort” und zwar alles was geht. Die Konzerne fahren anschließend hervorragende Berichte und Bilanzen zum Thema Personal auf: Keine Fluktuation, geringe Kosten, maximaler Profit!!
Kein Wunder, wenn die Menschen nicht bei den Firmen und Konzern beschäftigt sind, sondern bei privaten Leihfirmen bei denen sie nicht nur weniger verdienen, als wenn sie bei der Firma angestellt wären und der Arbeitsplatz zeitlich begrenz ist. So zittern diese Menschen von einem Arbeitsplatz zum nächsten, in der Hoffnung vielleicht übernommen und fest angestellt zu werden. Die Einführung des Mindestlohns wird hier von den Politikern in einem Land mit einer “sozialen” Marktwirtschaft, von einer Legislaturperiode zur nächsten verschoben. Laut Stellungnahme von Amazon würde der Mindestlohn freiwillig eingehalten werden.
Der Beginn des großen Reibachs
Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre begann der “große Reibach” der internationalen Konzerne, indem alle sogenannte “Nichtkerngeschäfte” grundsätzlich ausgegliedert wurden. Ganze Heerscharen von Ingenieuren wurden gezwungen eigene Unternehmen zu gründen, um z.B. die Forschung für den jeweiligen Konzern zu betreiben. Dies natürlich bei weitem kostengünstiger und auf eigenes Risiko. Damals hieß es: Abfindung – und weiter für den Konzern mit der selbst gegründeten Firma arbeiten – oder Entlassung ohne Abfindung. Diese Geschäftspolitik wurde von allen deutschen Industriekonzernen konsequent so in den 90er Jahren umgesetzt.
Dies war aber erst der Anfang. Die Unternehmen, die vorher Putzfrauen, Kantinenmitarbeiter, Wachschutzmitarbeiter usw. beschäftigten und tariflich bezahlten, trennten sich von diesen Mitarbeitern. Die Aufgaben wurden kriminellen Arbeitgebern überlassen und Geld ohne Ende eingespart. Im Ergebnis wuchsen die Gehälter der Vorstände, die Dividende der Aktionäre und die Kluft zwischen Arm und Reich. Durch geschickte PR-Maßnahmen wurde dieser Trend hof- und salonfähig. “Geiz ist geil !”.
“Geiz ist Geil”
Deutscher „Volkssport“, die Abgründe einer besser verdienenden Bevölkerungsschicht und die Folgen!
Hemmungslos, von Gier, Geiz und Egoismus angetrieben, wird weiterhin gerafft und trotz Börsencrash von 2008 weiter gezockt, um das meist Geerbte und “Gebunkerte” zu vermehren. Bereits wenige Tage nach dem Crash an der Börse, liefen die Telefone bei einem Investmentbanker in Deutschland weiterhin heiß, um zu zocken und die Gier nach noch mehr schnellem Geld zu befriedigen. Gleich wie, wo und wann, werden nicht nur Preise gedrückt wo immer es geht, sondern auch das System „abgezockt“. Die Gemeinschaft, also die Community und der Einzelne, interessiert hier vor allem die 10 % der Reichen und Wohlhabenden offenbar nicht, sondern vielmehr der eigene Vorteil. Investitionen in das eigene Land oder in junge Firmen finden nicht statt, sondern der schnelle Profit zur weiteren Geldvermehrung.
Mit Handeln oder Feilschen, wie auf einem orientalischem Bazar hat dies aber nichts zu tun, wo es übrigens wesentlich fairer und ehrenhafter zugeht und eine ganz andere Bedeutung hat. Das Handeln ist auf Orientalischen Bazars sogar erwünscht, denn hier geht es auch um Ehre, um die Wertschätzung gegenüber dem Jenigen der das Produkt verkauft und meist von Hand angefertigt wurde. Auch dient der Handel auf einem Bazar der Kommunikation und festigt auch Geschäftsverbindungen mit anderen Händlern, mit denen man gute und faire Geschäfte macht. Früher nannte man dies Geschäftsethik.
Quid pro quo
In der westlichen Welt wo jeder Einzelhändler seine Preisfindung selbst festlegt um konkurrenzfähig zu sein und zu überleben, überlegt sich ein notorischer “Schnäppchenjäger” natürlich nicht, was er für eine Spirale auslöst. Egoistisches Konsumverhalten am liebsten alles, aber um sonst oder billiger zu bekommen – ob im Fitnesscenter, beim Schuhhändler oder im Internet- spiegelt sich auch in der Gesellschaft wieder. Eine Spirale des sich Unterbietens um Wettbewerbsfähig zu bleiben beginnt, mit entsprechenden Folgen für alle. Wenn eine Firma anschließend Pleite geht, wird hämisch, mit Neid motivierter Schadenfreude reagiert.
Wie und unter welchen Bedingungen aber Billigprodukte hergestellt und verkauft werden, interessiert solche Konsumenten natürlich nicht. Der derzeitige Verbraucher-Betrug, billiges Pferdefleisch als Rindfleisch zu verkaufen, ist nur eine der Auswirkungen hierfür.
In der Servicewüste Deutschland, den weltbesten Service – möglichst aber um sonst und immer pünktlich!
Alles kostenlos nutzen – sich aber beschweren, meckern und jammern!
Es soll sich in der Gesellschaft etwas ändern! Nur tun und bezahlen sollen es andere.
Wir exportieren wesentlich mehr als wir importieren. Nur wer soll unsere Exportgüter kaufen, wenn alle Länder pleite sind?
Nein, wir wollen keine Kriege – sind aber der dritt größte Waffenlieferant weltweit! Das hierdurch aber Millionen Menschen sterben, interessiert ebenso niemanden!
Jede Firma kann seine Personalpolitik ganz unabhängig von der Politik übrigens eigeninitiativ selbst ändern. Anstatt wieder einmal einen Schuldigen und Sündenbock zu suchen, den man dafür verantwortlich machen kann.
Kein Wunder, dass wir inzwischen eine “Burn Out” Nation sind, wenn Menschen nur noch als Human Resources betrachtet und unmenschlich wie Objekte behandelt werden. Jeder nur noch egoistisch auf seinen eigenen Vorteil achtet, keiner mehr Verantwortung übernehmen muss – weder Vorstände, Politiker, Banken, noch die Mainstream-Medien – und es weder Sozialverhalten noch Solidarität gibt, wie sich selbstverständlich gegenseitig zu unterstützen.
Der eigene Vorteil und „abzocken“ so lange es geht! Vorbilder gibt es keine für die Gesellschaft, siehe Politiker, Vorstände und Banken. Die Folgen: Werteverlust – „hinter mir die Sintflut“ und wenn einer ein Problem hat, dann soll er zum Staat gehen. Eine “soziale” Markwirtschaft in der offenbar vielmehr Egoismus, der eigene Vorteil gefördert und in Vordergrund steht – als die persönliche Entwicklung, das Wohlergehen des Einzelnen, der Gesellschaft, Eigeninitiative, Sozialverhalten und Solidarität. Kritische Intellektuelle haben sich hier offenbar zum eigenen Vorteil dem Mainstream angepasst.
Entsolidarisierung
Vielleicht ist dies auch ein Grund warum hier jedes Jahr 150 000 Menschen die Koffer packen und auswandern. Nicht nur auf der Suche nach einem festen Job, sondern nach Respekt, einer menschenwürdigen, freundlichen Behandlung, Anerkennung und Bestätigung. Die es offenbar in diesem Land, in dem alles angeordnet, überreguliert und verordnet wird, nicht mehr gibt, sondern nur noch Egoismus pur! Der Einzelne, soll sich gefälligst funktionierend und konsumierend in das Kollektiv einordnen, sich von den Mainstream- Medien „berieseln“ lassen, Steuern zahlen und möglichst nicht aufmucken.
Sozialdarwinismus und Ignoranz
Vielleicht sollte vielmehr zunächst einmal damit begonnen werden, vor der “eigenen Haustüre zu kehren und Verantwortung übernommen werden. Endlich begriffen werden, dass man Geld nicht essen kann und damit aufhören, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Nicht permanent nach Fehlern anderer zu suchen, sondern sich auf das Positive, die Stärken, des Einzelnen, konzentrieren und diese unterstützen und fördern. Anstatt permanent, meist aus Missgunst und Neid, nach Fehlern zu suchen, Herumnörgeln, Meckern, sich Beschweren und andere zu denunzieren, sondern eigeninitiativ werden und selbst etwas bewirken. Nicht vorhandene Umgangsformen in dieser Gesellschaft sind die Symptome und Folgen.
Was aber Eigeninitiative, also jeder Einzelne durch Solidarität bewirken kann, zeigt derzeit in Europa Spanien. Das Land befindet sich in einer schweren Finanz-Krise, der Bevölkerung geht es schlecht, viele verlieren ihre Häuser und Wohnungen. Die Menschen meistern diese Krise beispielhaft und vorbildlich dadurch, indem sie sich gegenseitig unterstützen und solidarisieren.
Eine Spezies die kein Sozialverhalten mehr besitzt ist übrigens nicht überlebensfähig und langfristig zum Aussterben verurteilt.
Die kleine Finanzkrise von 2008 war nur der Anfang einer globalen Zeitbombe und es ist abzuwarten bis die Nächste platzt. Auf Kosten anderer durch Ausbeutung der Bevölkerung, der Tiere, der Natur und Umwelt. Alle machen mit, keiner will es wahr haben. Eines Tages werden die nachkommenden Generationen, Kinder und Urenkel, ähnlich fragen wie nach dem Zustandekommen des Faschismus in Deutschland: Wie konnte dies überhaupt passieren? Was habt ihr dagegen unternommen? Die Antwort wird wieder lauten: Das haben wir alles gar nicht gewusst, dass haben wir alles gar nicht so kommen gesehen …
Astrid Ebenhoch ist Journalistin und Gründerin von Hounds & People
Abschlussrede aus der “Grosse Diktator” von Charlie Chaplin
http://youtu.be/7sxoTR-nNSo