Das Gefühl des Fremdseins hängt immer mit Erlebnissen zusammen. Es ist nicht so, dass ich dasitze und mir ständig denke, was ich bin ich fremd in diesem Land. Ganz im Gegenteil.
Die Debatte um Mesut Özil hat aber hervorgebracht, was sehr viele Ausländer und Migranten schon immer gesagt und gespürt haben.
Deutschland hat ein Problem mit Rassismus und Deutschland hat vor allem ein Problem mit seinen Dazugezogenen. Viele Migranten macht nämlich die Art und Weise wie mit dem Thema umgegangen wird, wütend.
Gerade jetzt schreien viele Unbetroffene bei #MeTwo: „Es reicht, ich kann es nicht mehr hören, haben wir nicht andere Sorgen?“
Jetzt wo Abertausende von ihren Erlebnissen berichten, ist tatsächlich die Reaktion drauf, stellt euch nicht so an? Das ist der wahre Schlag ins Gesicht, nicht das ständige Reduziert werden auf die Herkunft oder die ständigen subtil mitschwingenden Beleidigungen.
In den letzten drei bis vier Jahren hat eine gewisse Enthemmung eingesetzt, die nicht tragbar ist. Und die immer schlimmer wird. Diese Form von Rassismus war immer schon da, aber sie ist jetzt salonfähig geworden.
Es ist diese Entwicklung und die Ohnmacht davor, die diese Enthemmung so unglaublich gefährlich macht, da wir (noch) nicht wissen, wohin diese Entwicklung führen kann, wenn die stille Mehrheit weiter schweigt.
Ich schweige aber nicht mehr. Es ist mir egal, was andere darüber denken, Rassismus wird ab jetzt in aller Härte benannt, denn es muss wehtun, damit die Leute es verstehen. Es wurde lange genug geschwiegen.
Das Gefühl des Fremdseins hängt immer mit Erlebnissen zusammen.
Es ist nicht so, dass ich da sitze und denke, “was bin ich fremd in diesem Land”. Ganz im Gegenteil!
Bis dann aber wieder eine e-mail kommt oder ein Tweet oder ein Kommentar auf der Strasse.
Immer wenn es heißt: “Warum machen sie ihre Arbeit nicht in ihrem Land? Was massen sie sich an über uns Deutsche zu urteilen?”
Als ich damals mit einem Schild: “Ich bin Muslim was wollen sie wissen?” auf dem Hamburger Jungfersteg stand, fragten mich viele, wann mein Rückflugticket geht?
Das sind die Momente, in denen ich mich in Deutschland sehr fremd fühle. Besonders schwer wird es, wenn dann auch noch Leute wie Seehofer feststellen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.
Für mich bedeutet es, ihr Migranten, ihr, gehört nicht zu Deutschland.
Wenn selbst die Regierung Spalterei betreibt, dann tut das schon ziemlich weh. Da wäre es nur fair, wenn der Bundesfinanzminister anschließend gesagt hätte, und Eure Steuern auch nicht. Das hätte den Schmerz erträglicher gemacht.
Wir waren immer Deutsche, wenn wir Erfolg hatten, und Ausländer, wenn wir Fehler machten. Diese Differenzierung ist der wahre Grund für das fremd sein.
Alltagsrassismus gibt es in Deutschland nicht erst seit gestern.
Das Gefühl fremd zu sein, wurde mir seit ich in Deutschland bin vermittelt. Sei es in der Grundschule als mich meine Lehrerin bat, nicht ausländisch zu sprechen, oder wenn ich als “Türke” nicht in die Disco kam, oder in einer Gruppe mit Bio-Deutschen, als Einziger von der Polizei raus gerufen wurde.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das Gefühl nicht fremd zu sein, wurde mir in überwältigender Form viel häufiger vermittelt. Ich bin sehr glücklich in Deutschland zu leben. Es ist ein wunderbares Land mit fantastischen Menschen. Ich bin mittlerweile selbst ein Teil davon.
Aber wenn man hart arbeitet und versucht seinen Anteil zur Gesellschaft beizutragen und dann immer wieder, sei es auch nur partiell abgelehnt wird, verfliegen manchmal die positiven Emotionen und man wird wütend und traurig.
Die Debatte um Mesut Özil hat hervorgebracht, was sehr viele Migranten und Ausländer schon immer gesagt und gespürt haben: Deutschland hat ein Problem mit Rassismus! Und Deutschland hat vor allem ein Problem mit seinen Dazugezogenen.
Viele Migranten macht vor allem die Art und Weise wie mit dem Thema umgegangen wird wütend. Das ständige reduziert werden, auf die Herkunft. Die ständigen subtilen, mitschwingenden Beleidigungen.
Es ist in letzter Zeit besonders schön zu beobachten, wie der weiße Deutsche, dem vermeintlichen Ausländer versucht zu erklären, was Rassismus ist und was nicht. Man solle sich nicht so anstellen, man sei selber schuld, man dürfe sich auch nicht wundern. Das sind nur einige Sätze, die mich jeden Tag erreichen. Wer kann das besser beurteilen, als der weiße Deutsche der dem Rassismus jeden Tag ausgesetzt ist?
Seitdem Erstarken der neunen Rechten, seit Pegida und AfD auf der politischen Landkarte sichtbar wurden, ist die Toleranzschwelle Menschen rassistisch zu beleidigen, deutlich gestiegen.
In den letzten drei bis vier Jahren hat eine gewisse Enthemmung eingesetzt, die nicht tragbar ist und immer schlimmer wird.
Diese Form von Rassismus war immer schon da, aber sie ist jetzt salonfähig geworden. Sie hat ihren Weg in unseren Sprachgebrauch gefunden, in die Gesellschaft, in die Medien und letztendlich auch in den Bundestag.
Es ist diese Entwicklung und die Ohnmacht davor, die diese Enthemmung so unglaublich gefährlich macht. Da wir noch nicht wissen, wohin diese Entwicklung führen kann, wenn die stille Mehrheit weiter schweigt.
Rassismus ist keine Meinung!
Michel Abdollahi ist iranisch-deutscher Journalist, Moderator und Reporter beim NDR.
Siehe auch:
- Mesut Özil: Nein! Es gibt kein wichtigeres Thema als Rassismus in Deutschland 2018
- Ist Anti-Amerikanismus eine Form von Rassismus?
- Deutschland: Es wird Zeit endlich zu reflektieren
- Heute vor 50 Jahren starb Martin Luther King
- Sister Rosa – Rosa Parks wäre 100 Jahre
- “Der Islam gehört nicht zu Deutschland” ist ein Schlag ins Gesicht
- Rhetorik der Rechtspopulisten ist bei der FAZ angekommen
- Essener Tafel: Das ist tiefer Rassismus
- Marlene Dietrich hätte heute ihren 116. Geburtstag
- Deutsche Medien verbreiten Fake News über andere Länder
- Die Diskussion um “berechtigte Israel-Kritik” ist Heuchelei
- Der “Merkel-Galgen” und die Justitz in Sachsen
- Rechtextremismus und Faschismus wurde nicht durch die Wahl legalisiert
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