Selbsternannter Hunde-Guru verbreitet erfundene Erblehre, mittels Gen-Test, für erwünschte “Rudelstellung” nach genetischer Selektion. In einer bestimmten deutschsprachigen Hundeszene konnte sich seit Jahrzehnten, unbeobachtet von den Medien, ein bestimmtes Gedankengut in der Gesellschaft halten und über Generationen verbreiteten.
Nach den “Gurus” der Hundetrainer, Grewe, Rütter, Millan und wie sie alle heißen, macht sich ein neuer “Führer” bereit das Wesen des Hundes zu “ergründen” und an deren Halter weiterzugeben. Diesmal handelt es sich um eine Frau.
Seit November 2013 agiert sie mit einem eigenen Verein, mit dem aussagekräftigen Namen „Vererbte Rudelstellung der Hunde“. Alleine der Name des Vereins würde bei Wissenschaftlern wie John Bradshaw nur verständnisloses Kopfschütteln hervorrufen.
Schauen wir uns den Werdegang der „Hundeerziehung” an, so kommen wir nicht an „altbewährten“ Methoden aus der Dominanztheorie eines Oberst Konrad Most und dessen „Jünger“ Franz Mueller-Darß vorbei. Bis heute halten noch einige selbst ernannte “Hundefachleute” und ewig gestrige an diesen längst überholten Theorien fest. Ein Hund muss Respekt haben, sonst tanzt er uns auf der Nase rum. Gemeint ist, ein Hund muss Angst haben, damit alle sehen wie gut ich die „Bestie“ im Griff habe.
Wenn man nun glaubt, dass bei solchen antiquierten Methoden, das Ende der Fahnenstange erreicht wäre, unterliegt man einem gewaltigen Irrtum.
Denn nach der Dominanztheorie, kommt nun die Theorie über die “Rudelstellungen”, nach drei Generationen der Familie Werner, nämlich Philipp, Josef und Karl Werner. Bei Letzterem hat im Jahre 1968 Frau Barbara Ertel, als junges Mädchen den Blick für die genetisch vorbestimmte Rudelstellung unserer Hunde erlernt. Bis heute sagt sie von sich, sie wäre die Einzige, die einem Hund seine angeborene “Rudelstellung” ansehen könne. Andächtig wird dies von einer immer größer werdenden Schar von verblendeten Hundehaltern und “Lakaien” gehuldigt
Ohne weiter auf die pseudowissenschaftlichen und selbst gestrickten, ja schon als lächerlich anzusehenden Grundlagen der “Rudelstellungen” näher einzugehen, kann man unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass hier schon von einer Gefahr für Hund und Halter ausgeht.
Da wird behauptet, dass jeder Hund seit seiner Geburt, eventuell schon nach der Zeugung, einen feststehenden Platz im Leben zugewiesen hat und weder Umfeld noch sonstige Prägephase darauf Einfluss nehmen könnten. Wie sonst könnte eine Frau Ertel, wie sie selbst sagt, jedem Hund seine angeborene “Rudelstellung” und demnach sein Verhalten ansehen und beurteilen?
Stöbert man dann noch ein wenig auf der Internetseite über “Rudelstellungen”, wird einem Angst und Bange, wenn man damit konfrontiert wird, dass angeblich an einer deutschen Universität, anhand von Speichelproben, eine Forschung über die genetische Prädisposition von Hunden durchgeführt wird. Dies würde bedeuten, dass die “Rudelstellung” als Erbkrankheit eingestuft würde.
Allerdings lässt die Einlassung des Vereins „vererbte Rudelstellung der Hunde e.V.“ eher vermuten, dass man Hunde je nach Bedarf selektiert und mit gewünschten Verhaltensweisen produzieren möchte.
Nicht nur, dass die gesamte Verhaltensforschung auf den Kopf gestellt und dem Hund jedwede Persönlichkeit abgesprochen wird. Nein, erschreckender dabei ist, dass es den Anschein hat, hier wird nach dem Geiste von Josef Mengele und Otmar Freiherr von Verschuer versucht, eine Art Rassehygiene herzustellen und einen, überspitzt gesagt, arischen Hund zu produzieren. Schon der Mentor von Barbara Ertel, besagter Karl Werner taucht ja auf der Seite als Züchter der ersten Stunde, für eine neue Hunderasse auf, den zunächst Wolf-Chow, aus dem später der Eurasier entstand.
Zurück zu der deutschen Universität, an der diese gentechnische Verhaltensforschung betrieben werden soll. Von einer der renommiertesten Universitäten in Deutschland auf diesem Gebiet, die Ludwig-Maximilians-Universität München, kam die Antwort, wie man darauf käme, Genuntersuchungen in der Verhaltensforschung anzuwenden? Gerne könne man nach der Urlaubszeit, mit den Fachkräften für Verhaltensforschung bei Hunden Rücksprache halten, doch Genuntersuchungen würden dort nicht praktiziert.
Umso erschreckender, dass von jedem Hund bei jedem Workshop, eine Speichelprobe für Genuntersuchungen genommen wird. Die Zustimmung hierfür ist Bedingung für die Teilnahme am Workshop. Wer also arbeitet mit diesen Proben und vor allem mit welchem Ziel?
Doch zurück in die Gegenwart und dem derzeitigen Treiben von Frau Ertel
In regelmäßigen Abständen werden sogenannte Workshops abgehalten, die, wenn man Erfahrungsberichte hierüber liest, ebenfalls mit militärischer Präzision abgehalten werden. Angefangen mit “Schergen”, die sofort herangeeilt kämen, sobald ein Fahrzeug mit Teilnehmern sich nähern würde, um für eine korrekte Einparkformation zu sorgen, bis hin zu nicht zugelassenen Fragen zur Beurteilung. Das Urteil von Frau Ertel sei unumstößlich.
Verwunderlich dabei ist allerdings, dass man bei diesen Workshops von einer Anleitung von Hundehaltern ausgehen kann, die im Sinne einer Hundeschule und eines Hundetrainers abgehalten werden. Auf Nachfrage, der Sachkunde und der Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz, beim zuständigen Veterinäramt, konnte diese Erlaubnis allerdings nicht bestätigt werden und man versteckte sich beim Veterinäramt hinter der Aussage, es handele sich derzeit um ein laufendes Verfahren, zu dem man keine Stellung nehmen dürfe.
Für all jene, die noch immer den Fernsehhundetrainern andächtig zuschauen sei hier angemerkt: Selbst die Hunde der Maja Nowak – nach Aussage einer Teilnehmerin – die sie in der Sendung vorführt, werden von Frau Ertel vorher “begutachtet”. Hier das Zitat aus dem Erfahrungsbericht: „Maja Nowak keinen der im TV gezeigten Hunde selbst eingeschätzt hat. Jeder Hund wurde vorher von Frau Ertel begutachtet.“ Die Schreiberin gibt zu verstehen, sie sei nur durch die Empfehlung von Maja Nowak überhaupt an Frau Ertel geraten und da sie Frau Nowak seit, wie sie schreibt, nunmehr zwei Jahren persönlich kenne, hätte sie dieser Empfehlung folge geleistet. Ihrem Erfahrungsbericht nach zu urteilen, wurde sie eines Besseren belehrt.
Dennoch wird die “Hundeflüsterin” in den ZDF-Sendern rauf und runter gesendet. Wäre die Dame mal lieber beim Liedermachen geblieben, das hätte Hunden und deren Haltern viel erspart.
Allerdings gibt es auch Menschen, denen man etwas mehr Fachkompetenz zugetraut hätte.
Besonders dann, wenn sie selbst von sich veröffentlichen, sie haben die Zusatzbezeichnung „Tier-Verhaltenstherapie“ an der bayrischen Landestierärztekammer erworben und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promoviert. Wenn dann Frau Dr. med. vet. Gold noch zu verstehen gibt, sie wäre beeidigte Sachverständige der Regierung von Oberfranken, mit dem Fachgebiet Hundewesen, wird einem Angst und Bange, sobald man die 19seitige Abhandlung über Rudelstellungen liest, welche nur zu gerne von Barbara Ertel als “Propagandamaterial” verwendet wird. Wie kann man zulassen, dass eine Tierärztin als beeidigte Sachverständige Hunde beurteilt, die sich dieser hanebüchenen “Sektenlehre” verschreibt?
Die Erfahrung lehrt uns, dass gerade in Zeiten in denen Menschen verzweifelt sind, der Zulauf nicht nur zu Sekten ihren Höhepunkt haben. Wie verzweifelt müssen Hundehalter sein, die sich in ihrer „Not“ einer solchen “Führerin” anschließen und ihr scheinbar, bedingungslos folgen?
Liegt es eventuell daran, dass man dem Trend als Retter eines Straßenhundes folgte, ohne zu wissen was auf einen zukommt? Anschliessend feststellte, dass mit den Methoden der TV-Hundeprofis kein Erfolg zu verzeichnen ist, um dann den „ultimativen Lehren“ eines weiblichen Gurus zu folgen? Der sich durch die Behauptung auszeichnet, die Einzige zu sein einem Hund anzusehen welche „Rudelstellung“ ihm zum Zeitpunkt seiner Geburt zugedacht war?
So betrachtet hat das Wirken von Barbara Ertel, schon etwas „Göttliches“. Ihre Eingabe aus den Tiefen des Universums, für die es ansonsten keinen “Empfänger” gibt, zu meinen genetisch nachweisen zu können. Genau so, wie man meinte Homosexualität genetisch nachweisen und “heilen” könnte.
Man könnte diese Lehren als lächerlich abtun. Doch der rasante Anstieg derer die dieser Frau folgen birgt eine Gefahr, deren Ausmaß derzeit nicht absehbar ist.
Hundehaltern wird suggeriert, sie bräuchten nur den zu ihnen passenden Hund. Nämlich den Hund, der mit seiner genetischen “Programmierung” zu ihnen oder zum anderen Hund passt. Auch wenn dies bedeutet, sich von ihrem derzeitigen Begleiter und treuen Freund zu trennen, um sich einen Neuen anzuschaffen. Genau so, wie man seine Möbel erneuert und seinen Bedürfnissen anpasst.
Michael Schlesinger ist Blogger, Journalist und überzeugter Tierschützer bei der Tierschutzinitiative Vorpommern e.V.
Siehe auch:
- Die Dominanz-Theorie – eine Deutsche Erfindung
- Bild Kolumnistin: Amerikaner sollen Dominanz-Therorie erfunden haben?
- Sachkundeprüfung für Hundetrainer wird Pflicht
- Cannes: Hunde gewinnen in “White God” Goldene Palme
- Rechtspopulismus und Nationalismus in Deutschland und Europa
- VOX mit Rütter! SIXX mit Millan! ZDF mit Grewe?
- Cesar Milan: Auftrittsverbot in der Schweiz
- Sitz, Platz, Fuss, Aus! Deutschland ein Hundeleben
- Gewalt gegen Hunde und der gesellschaftliche Schaden
- Rassewahn und seine Folgen
Ich kann´s nicht lassen…
nach dem Besuch bei einem Rudelstellungs Workshop habe ich so viel Verständnis über das Verhalten meiner Hunde bekommen, dass ich die Aufregung und auch Anfeindungen zu diesem Thema nicht verstehen kann.
Meine Hunde passen nach Frau Ertels Einschätzung garnicht zusammen.
Trennen kommt deshalb trotzdem nicht in Frage, doch ich verstehe jetzt, warum die Hunde das eine oder andere Verhalten zeigen.
Wenn mehr Hundehalter sich zu diesem Thema informieren würden, dann gelänge so manche Hundebegegnung entspannter und rücksichtsvoller für Hund und Mensch(!)
Konstruktieve Kretik würde weniger nach Erfolgs-Neid schnüffeln.
Lieber Herr Schlesinger,
vielen Dank für Ihren erfrischenden Artikel zu einer mehr als fragwürdigen neuen Hunde-”Lehre”!
Weitere interessante belegbare Fakten zur Entstehungsgeschichte der Rudelstellungstheorie, Aussagen von Zeitzeugen der Familie Werner, stellungnehmende Artikel von Bloch, Riepe u.a.finden Sie hier:
http://rudelstellungen-klargestellt.de/
Hunde sind die Versuchstiere in unserer heutigen Gesellschaft, “Hundespezialisten” jeglicher Couleur rennen offene Türen ein bei nichtwissenden Hundebesitzern die sie mit ihrem verqueren Denken manipulieren können. Das Ganze natürlich nur gegen ein entsprechendes Salär, wird doch dem ahnungslosen Hundebesitzer so sehr geholfen.
Die Persönlichkeit des Hundes wird ausgemerzt, er soll ja funktionieren im Sinne des Menschen. Das Hunde ganz einfach nur Gefährten sind, die Spaß haben sollen, buddeln, spielen, rennen, mit ihren Artgenossen balgen, das ist nicht mehr gewünscht und wenn dann natürlich nur im kontrollierten Rahmen. All überall sieht man eifrige Hundehalter die ihre Hunde mit dämlichsten Befehlen drillen dank ebenso eifriger Trainer und Gurus. Keine Ahnung warum soviele Menschen meinen sie müssten Hunde haben und dem gar nicht gewachsen sind, was eben die Euronen in die Taschen der Hundetrainer & Co. spült. Leidtragender ist der Hund, der kann sich ja nicht wehren gegen jegliche Neurosen menschlicher Art. Da braucht es natürlich auch noch den passenden Hund zum Menschen, damit der ja möglichst wenig Arbeit hat sich in sein Tier reinzufühlen und dessen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ein guter Artikel Herr Schlesinger, danke dafür.