Die Ausreden der Fake-News Journalisten. Gestern habe ich (mit Loriot zusammen!) den deutschen Meinungsjournalismus als Fake News angeprangert (doch doch, politisierte, zum Zwecke der Manipulation nicht neutral gehaltene Berichterstattung ist verfälsche Berichterstattung).
Bei den Kommentatoren gab es meist Zuspruch, aber einige haben auch alte Ausreden ausgekramt, um die Ehre der Journalisten und vor allem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu retten.
Wer das Loriot-Video nicht kennt: Hier kritisiert Loriot die öffentlich-rechtlichen Sender für ihr Meinungsjournalismus:
Interview mit Loriot von 1979: “Es gibt keinen linken und keinen rechten Weg, sondern nur den Richtigen! Das hat mit links und rechts nichts mehr zu tun. Und das was wir jetzt in der Politik noch machen, “so scheinbar, so richtig und so ordentlich”, das ist für mich politische Postkutschenzeit. Nichts anderes. Geschichte!”
Die üblichen Ausreden (die ich höre, wenn ich mit anderen Journalisten über dieses Thema rede), sind vor allem diese:
1) Naja, auch gute Journalisten machen mal einen ehrlicher Fehler,
2) Heute hat man keine Zeit mehr zum Recherchieren, es muss alles so schnell gehen,
3) objektiver Journalismus gibt es sowieso nicht, und
4) Man muss ja auch Haltung zeigen.
Journalisten, die diese Ausreden vorbringen, sollten sich schämen.
Ausrede 1: „Einen Fehler macht mal jeder.“
Diese Journalisten sind zu 80% gut trainierte, professionelle Journalisten, sonst würden sie keine Leitartikel in SZ, FAZ, Spiegel und Zeit schreiben. Ein paar mal im Jahr einen Fehler machen, in Ordnung, aber kontinuierlich „Fehler“ immer in der Richtung der eigenen politischen Meinung, gibt es nicht.
Ausrede 2: „Man hat keine Zeit mehr zur Recherche“.
Ich als Leser habe mich daran gewohnt, Leitartikel z.B. in NYT immer mit Hilfe von Wikipedia zu überprüfen.
Schreibt die NYT Times, Trump hätte gelogen, als er Montenegro „klein und aggressiv“ nannte, schaue ich nach und stelle fest, Montenegro gehört zu den kleinsten Staaten der Welt und im letzten großen europäischen Krieg, nämlich in Bosnien, hat sich das Land äußerst aggressiv, sogar blutrünstig, verhalten. Es dauerte 5 Minuten. So viel Zeit hat auch ein Online-Redakteur. Trump der Lüge zu bezichtigen, ohne Bewiese aufzufahren oder einen Dritten zu zitieren, war Absicht.
Ausrede 3: „Es gibt sowieso keine echte Objektivität“.
Erstens, nur weil es keine „echte“ Objektivität gibt, ist das kein Grund, das genaue Gegenteil zu tun. Stell dir vor: „Es gibt im Straßenverkehr sowieso keine 100%ige Sicherheit, also darf ich jeden Passanten umfahren.“
Aber wichtiger ist: Natürlich gibt es journalistische Objektivität. Man lernt das auf der Journalistenschule. Ich weiß es, weil auch ich es gelernt habe. Man lernt den Unterschied zwischen eigene Meinung und die Widergabe von Information. Jeder Journalist kennt es und kann es.
Wenn ich einen „Experten“ im Studio habe und er sagt, ein Mensch, der Hillary Clinton im Wahlkampf schlägt und das höchste Amt Amerikas erringt, kann nicht „dumm“ sein, dann ist das seine Meinung und deswegen befrage ich ihn im Studio.
Wenn ein anderer Experte ihm widerspricht, dann ist das dessen Meinung und es zeigt, dass die Meinungen auseinandergehen und der Zuschauer kann sich seien Gedanken machen.
Wenn ich aber als Moderator den ersten Experten korrigiere, dass Trump doch doof ist, dann ist das die Meinung des Moderators und unterschwellig auch die Meinung des Senders und das ist kein Journalismus mehr, sondern Meinungsmache.
Und der Moderator weiß, was er tut. Er ist nicht dumm. Er weiß, mit Worten umzugehen, er weiß auch, dass der erste Experte eine unpopuläre und möglicherweise gefährliche Meinung gesagt hat (weil sie einer Rechtfertigung von Trump gleich kommt) und verspürt die Last der moralischen Verantwortung, jede unangenehme oder vermeintlich falsche Meinung zu korrigieren, damit der Zuschauer auf keine schlechten Gedanken kommt. Das ist nicht Journalismus, es ist Zuschauerbelehrung und Absicht.
Wenn palästinensische Gruppen Monate lang Israel mit Raketen beschießen und die ARD/ZDF nicht darüber berichten, aber dann, nachdem Israel reagierte, und ARD/ZDF einen Bericht über die Bombardierung von Palästina bringen, und nicht klar ist, was Monatelang vorher war, und Herr Kleber dann ein eindeutig moralisch verurteilendes Gesicht macht und melodramatisch sagt: „Es wird eine lange Nacht“, dann ist seine Berichterstattung klar pro-palästinensisch und nicht neutral und er macht damit den Zuschauern klar, dass auch sie Israel zu verurteilen haben.
Und er sitzt im Staatssender: Der Zuschauer bekommt unterschwellig mit, dass auch der Staat die Verbreitung diese anti-Israelische Meinung wünscht. Herr Kleber ist nicht dumm. Er weißt, dass er es tut.
Man kann aus rein abstrakten, akademischen Gründen argumentieren, dass eine “100%ige Objektivität” nicht möglich ist. Denn: Wenn ich z.B. in einem Artikel Pro- und Kontra-Argumente bringe, muss ich entweder das Pro- oder das Kontra-Argument zuerst bringen. Ich habe keine Wahl, als einen nicht-objektiven Artikel zu machen.
Aber in den meisten großen Fragen habe ich eine Wahl: Ich kann die Kontra-Meinung einfach nicht bringen, oder so tief in dem Artikel verbergen, dass sie niemand liest, oder ich kann eine Schlagzeile dazu setzen, die dem Zuschauer erklärt, wie er den Artikel zu interpretieren hat.
Hier ist eine objektive Schlagzeile: „Trump nennt NATO-Mitglieder Schmarotzer.“
Hier ist die interpretative Schlagzeile aus der NYT: „Trump beleidigt NATO-Alliierte.“ “Beleidigung” ist eine Wertung.
Es gibt einen Unterschied, und jeder Journalist ist in der Lage, diesen Unterschied zu erkennen.
4. „Haltung“:
Das ist die populärste und perfideste Ausrede, weil es sich emotional und moralisch richtig, ja wichtig anfühlt.
Seit dem Holocaust verspüren (ich glaube, der Spiegel hat den Trend ausgelöst) Journalisten in Deutschland die Verantwortung, vor einer Wiederholung zu schützen. Das ist oberflächlich lobenswert, aber es ist nicht Journalismus. Es ist Politik, es ist Moralpredigt, es ist soziale Kontrolle, es ist Pädagogik.
Das Problem ist, viele deutschen Journalisten sehen den Journalismus gar nicht als Berichterstattung, sondern als eine Möglichkeit, zur politischen Elite zu gehören.
Wenn ein Journalist das ganze Land belehren kann, wenn er falsche Meinungen unterdrücken und richtige Meinungen verbreiten kann, dann kann er sich vom kleinem Nerd auf dem Gymnasium zu einem politisch angesehenen und einflussreichen Menschen machen. Wer will das nicht?
Nur, er ist kein Journalist mehr. Es ist ein Möchte-Gern-Politiker, der nicht den Mumm hatte, in die Politik zu gehen.
Er macht Politik von der Seite und versteckt sich dabei hinter dem Journalismus, auf den sich der Leser verlässt, weil er ja glaubt, dass die echte, vollständige, neutrale Berichterstattung bekommt.
Der Leser glaubt, das er durch die Zeitung genug Information bekommt, um sich eine verantwortliche und intelligente Meinung selbst zu bilden.
Er weißt nicht, dass er manipuliert wird. Er weiß nicht, dass die Journalisten ihn für unfähig halten, sich selbst eine „richtige“ Meinung zu bilden. Er weißt nicht, welche Argumente, Fakten, Sichtweisen von ihm versteckt werden.
Die moralische Verantwortung des Polit- und Moral-Journalisten entmündigt den Leser und setzt den Journalisten in eine Machtposition über den Leser.
Und ich kenne die Journalisten. Sie sind nicht besonders klug. Sie sind wie du und ich, durchschnittlich, mit durchschnittlicher Bildung und durchschnittlicher Beobachtungsgabe.
Ihre Meinung ist vom Inhalt und Intelligenz her nicht wertvoller als deine oder meine. Nur, weil ihre Meinung in der Zeitung oder in einem vom Staat kontrollierten und finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender steht, nimmt sie eine Autorität an, die weit über ihre eigentlichen Inhalt hinausgeht.
Journalisten lieben den Meinungsjournalismus vor allem, weil es sie grösser und einflussreicher macht, als sie sonst wären.
Es gab eine Zeit als nur unseriöse Medien wie Bild oder Fox News oder unseriöse vermeintliche Wissenschaftler wie Sarrazin ihre Meinung als Tatsachenbericht verkauft haben, wenn aber heute seriöse Medien wie die New York Times oder die ARD die Bild Zeitung zum Vorbild nehmen und ihnen gleichtun, dann gibt es überhaupt keine verlässliche Berichterstattung mehr.
Eric T. Hansen ist Amerikaner, Buchautor, Journalist und Satiriker, lebt seit über 20 Jahren in Deutschland und heute in Berlin. Seine Bücher: Planet Germany. Eine Expedition in die Heimat des Hawaii-Toasts) oder Die ängstliche Supermacht: Warum Deutschland endlich erwachsen werden muss
und Neuntöter: Thriller
.
Update: v. 1. 9.2018 Deutschlandfunkkultur: Krawalle in Chemnitz- Rechte Gewalt und die Medien
Der Stuttgarter Stadtrat Hannes Rockenbauch zu den beiden Stuttgarter Zeitungen und Qualitätsjournalismus.
Siehe auch:
- Deutsche Medien verbreiten Fake News über andere Länderl
- Ist Anti-Amerikanismus eine Form von Rassismus?
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