Wenn Geld alle, endet die Verantwortung.
Es ist Januar 2013, da fragt man bei uns an, ob wir eine Hündin in Pflege nehmen könnten, die nicht ganz einfach wäre. Es wurde uns erklärt, die Hündin habe nach kurzem Aufenthalt bei ihrem neuen Besitzer einfach das nicht eingezäunte Gelände verlassen und ein Schaf angegriffen. Auch sei die Hündin ganz plötzlich nicht mehr richtig führig, bekam Probleme mit dem vorhandenen Hund und neige zu Aggressivität, auch Menschen gegenüber. Dies alles befand man in einer Pension, in die sie kurzerhand gebracht wurde, als die ersten Probleme auftauchten.
Nachdem wir die Einzelheiten der Unterbringung besprochen hatten, kam Shena am 07.01.2013 zu uns in Pflege.
Da sich Frau Carina M. uns gegenüber als reine Privatperson darstellte, die eben diese Hündin an ihren Bruder, aus Ungarn vermittelte. Shena käme von einem Hof, auf dem eine einzelne Frau sich rührend um Tiere kümmere. Sie wolle nur ihren Möglichkeiten entsprechend helfen. Aus diesem Grund waren wir zum damaligen Zeitpunkt recht angetan vom Engagement dieser Frau.
Kurz bevor man Sena zu uns brachte, wurde am 02.01.2013 noch ein Bluttest veranlasst, der nichts Gutes hervorbrachte. Sena war hochgradig mit Babesien belastet und der Titerwert zeigte außerdem eine Ehrlichioseerkrankung. Somit war direkt für den 08.01.2013 ein Tierarztbesuch Pflicht, auch wenn Shena keine Zeit hatte, sich einzugewöhnen, die Gesundheit ging in diesem Fall vor.
Waren wir zum damaligen Zeitpunkt noch voll und ganz vom Verantwortungsbewusstsein der Frau Carina M. überzeugt, schlichen sich schon sehr bald die ersten Zweifel ein. Hier stellte sie sich als „einsame“ Tierliebhaberin dar, die alles nur aus eigener Tasche trage ohne Verein ohne Hilfe. Doch schon wenig später kam der Internetauftritt des Vereins. Zunächst noch ein wenig verhalten, doch mit der Zeit entwickelte sich die Seite, zusammen mit Facebook zu einem, wie wir meinen Verkaufsportal für ungarische Hunde.
Hätten wir doch auf die Zweifler der ersten Stunde gehört und die Dame nicht auch noch in Schutz genommen. Wie konnte ich nur den Satz ihrer Mail aus dem Januar überlesen, in dem stand, wenn Geld alle, dann zurück nach Ungarn. Nein im Gegenteil, wir hatten Frau Carina M. auch noch auf unserer Facebookseite in Schutz genommen und darum gebeten, ihr zu helfen für die Hündin aufzukommen, da sie alles aus eigener Tasche finanziere. Selbst nach über 20 Jahren, ließen wir uns immer noch von ein paar Tränen bei der Abgabe von Shena um den Finger wickeln.
An dieser Stelle ist es angebracht, sich bei all jenen zu entschuldigen, die Frau Carina M. und den Verein den sie führt, aufgrund unserer Intervention zu unterstützen.
Hätte ich doch wie sonst immer mal genauer hingeschaut. Am 8. Januar schrieb sie mir, dass sie keinerlei Spendeneingänge hätte, außer einmal 30,– €. Daraufhin habe sie der Spenderin einen Kerzenhalter auf eigene Kosten geschickt. Nun findet man auf der Facebookseite am 26.11.2012 schon den Eintrag, dass bei einer Spende von 10,– €, man einen Kerzenhalter bekäme, wenn man noch 3,90 € zusätzlich für die Versandkosten überweist.
Als ich dann gelesen hatte, was man von einer Pflegestelle erwartet, fiel ich vollends vom Glauben ab. Nicht alleine Futter, Tierarzt, Steuer, Versicherung und sonstige Kosten, sollen von der Pflegestelle getragen werden, nein die Pflegestelle hat auch noch die Schutzgebühr zu entrichten, natürlich im Voraus, per Überweisung.
Doch zurück zu Shena. Nun war sie schon bei uns und konnte ja nichts für den Verein, der sich „ihrer annahm“.
Fast sieben Monate kümmerten wir uns um Shena, dokumentierten ihre Fortschritte mit Videos und Fotos, vom ersten Tag an. Einzig eine kleine Unart legte sie nicht ab. Immer mal wieder dachte sie mich verbellen zu müssen, wenn ich auf sie zukam. Doch direkt danach kam sie zu mir und wollte geschmust werden. Für uns eine Kleinigkeit, mit der man leben kann. Zu keiner Zeit war sie bei Besuch in irgendeiner Weise auffällig und ging offen auf Menschen zu. Auch die angegebene Unverträglichkeit, Artgenossen gegenüber bestätigte sich nicht. Zu keiner Zeit gab es irgendwelche Übergriffe von Shena, und, um die Welpen die Mitte Mai von uns aufgenommen wurden, war sie rührend bemüht.
Wenn man sich dann wiederum das Standardfoto von Shena beim Verein im Internetauftritt, Webseite und Facebook anschaut, kann man schon ein gewisses Misstrauen bei der Hündin verstehen, denn so geht man nicht mit einem Hund um, es sei denn, man braucht es für eine gewisse Dramatik. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hoffe ich doch sehr, dass niemand auf die Idee kommt, die Aufnahme wäre hier bei uns entstanden. Davon abgesehen bin ich ja schon froh, dass Frau Carina M. nicht noch ein Foto von der Ankunft hier mit eingestellt hat. Als sie Shena auslud, hatte die Hündin auf der ganzen fahrt einen Stahlmaulkorb getragen, der allerdings sofort zu entfernen war.
Am 29. Juni kam dann die Bitte, doch ein neues Video von Shena zu machen, damit ihre Vermittlungschancen steigen würden. Als ich auf die letzten Videos mit den Welpen verwies, auf denen man sehr deutlich sehen konnte, wie Shena mit Artgenossen und Menschen umgeht, war das nicht genug, es sollte einfach nur Shena zu sehen sein und wäre auch nicht wichtig es „ordentlich“ zu gestalten, draufhalten und gut. Heute wissen wir, genau so scheint der Bezug zu den Hunden zu sein, rausholen, verkaufen und gut. Doch für Shena gestalteten wir noch einmal ein Video, auf dem wir dann noch Gloria, Maja und die Welpen mit einbauten, einzig in der Hoffnung, dass es für Shena nützlich wäre. Am 04.07.2013 ging da Video online.
Am 21.08.2013 kam dann die Mail von Carina M., dass sie Sena Ende des Monats von einem Stefan M. abholen ließe.
Ende des Monats war dann der 30.08.2013, als besagter Stefan M., den ich diesmal allerdings recherchierte, abholte. Es war nicht viel zu finden, eine ziemlich nichtssagende Internetseite, auf der er schreibt, er habe Erfahrung, sehr viel Erfahrung, nicht zuletzt, da er ja früher als Hundeführer bei der Bundespolizei arbeitete. Er beschreibt sich, als jemanden der mit dem Hund spricht, bietet Schutzhundeausbildung, aber auch einen Hund „umgangstauglich“ zu machen, was immer das bedeuten soll. Am meisten Angst machte mir die Angabe, er biete „Umarbeitung“ schwieriger Hunde.
Ebenso macht eine Aussage „entgeltliche Übereignung“ von Hunden, zumindest mir, Angst. Wenn man mir dann erklärt, dass man auf einem Gelände von 10000 qm 60 Hunde hält, davon 30 Plätze von Tagesbetreuung, allerdings kein Hund mit ins Wohnhaus darf, mir weiter erzählt wird, es würde mit jedem Hund ausgiebig gearbeitet würde, habe ich das Gefühl, als lese mir jemand aus Grimms Märchen vor. Besonders eine Aussage der Presse gegenüber aus 2010, er arbeite bundesweit „an“ 2000 Hunden wäre als lustig anzusehen, wenn dem dann hoffentlich nicht etwas Wahres zugrunde liegt. Wenn doch macht es mir noch mehr Angst, was an Selbstüberschätzung in Deutschland, fruchtbaren Boden findet.
Als Stefan M. dann Shena abholen kam, fragte ich noch mal genau nach, wie Sena denn nun gehalten würde und bekam die vorherrschenden Befürchtungen auch prompt bestätigt. Draußen halt, wie all die anderen auch. Er habe ja bis zu 60 Hunde, um die er sich kümmere.
Um diesen Kelch noch von Sena abzuwenden, rief ich noch ganz schnell Frau Carina M. an, um zu klären, ob sie denn wisse, wie Shena in Zukunft untergebracht würde, doch auch hier wurden die Befürchtungen bestätigt. Herr Stefan M. hat einen Übernahmevertrag und eine Vollmacht, Shena geht dort hin und fertig.
Was an dieser Stelle dann noch erwähnt werden muss, ist die Tatsache, dass Sena derzeit an einer Hot Spot Infektion leidet, die sich auch noch direkt im Hals und Brustbereich befindet. Aus diesem Grund ist es auch besonders wichtig die Hündin jederzeit im Auge zu behalten, da sie sich ja nicht gerade dort kratzen soll. Ein Trichter ist an dieser Stelle absolut zwecklos und selbst Halsband oder Geschirr sind ein absolutes Tabu. Nicht einmal die Zeit die Infektion ausheilen zu lassen, bevor sie umgesetzt wird, hat man der armen Hundeseele gegeben. Ob man den Empfehlungen aus unserem Übergabeprotokoll folge leistet und am Montag, 02.09.2013 Shena einem Tierarzt vorstellt, wer kann das schon sagen? Auch ob vor einer Weitergabe als vermutlich Hofhund, der anstehende Kontrollbluttest erfolgt ist fraglich.
Wie abgebrüht muss man sein, einen Hund, für den man die Verantwortung übernommen hat, auf einen solchen Platz zu setzen? Es zeigt sich immer wieder, dass mit einem Gewissen bei den meisten Auslandstierschützern nicht zu rechnen ist. Einzig der finanzielle Aspekt ist, was zählt. Wäre seinerzeit nicht solch ein Aufhebens in der gesamten Szene wegen Shena gewesen, so hätte sie dieses oder ein ähnliches Schicksal wohl schon früher ereilt.
Es tut uns unendlich leid Shena, doch das Eigentumsrecht hat uns die Hände gebunden. Ein solches Schicksal sollte keinen Hund, der als gerettet nach Deutschland gebracht wird, wiederfahren. Doch dieser Fall zeigt auch wieder, wir sollten erst einmal vor unseren deutschen Haustüren aufräumen, ehe wir Hunde vom Regen in die Traufe holen.
Michael Schlesinger, Tierschutzinitiative Vorpommern e. V.
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