Ein Kamarateam des ZDF wird in Sachsen bepöbelt. Während das Team von Frontal21 über eine Pegida-Demonstration anlässlich des Besuchs von Angela Merkel in Dresden berichtet, wird es von den Demonstranten angegangen. Daraufhin wird das Team von der Polizei 45 Minuten festgehalten. Was dann passiert ist unfassbar und doch mittlerweile völlig normal.
Zunächst rechtfertigt die sächsische Polizei und das sächsische Innenministerium den Einsatz von Beamten gegen die ZDF-Journalisten. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer twittert: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.” Ein deutscher Ministerpräsident beurteilt damit durch das Sehen eines kurzen Videos, ob die Einschränkung der Pressefreiheit, eines der höchsten Güter des Grundgesetzes, gerechtfertigt sei oder nicht. Hat er das von Trump gelernt? Fehlte nur noch der Hashtag #FakeNews.
Die Geschichte könnte hier zu Ende sein, wird aber jetzt erst interessant und legt die ganzen Missstände in Sachsen gnadenlos offen. Es stellte sich nämlich raus, dass der Pöbel, der lautstark fordert, die Journalisten festzunehmen, beim sächsischen LKA arbeitet und in seiner Freizeit bei Pegida mitläuft.
Bundesjustizministerin Katarina Barley sagte: “Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden.” Aber genau das ist nicht möglich, da Sachsen, nicht wie bisher angenommen, die Vorgänge ignoriert, sondern bis zur Spitze selbst im braunen Sumpf drinsteckt.
Es kann mir keiner erzählen, dass diese Fremdenfeindlichkeit, der Rassismus und die unzähligen Gewalttaten gegen Ausländer und Linke nicht hausgemacht seien. Ich bin fest davon überzeugt, dass das von sächsischer Staatsseite toleriert und akzeptiert wird. Und seit kurzen wissen wir auch, dass diese Widerlichkeiten auch von ihr aktiv unterstützt werden.
Katrin Göring-Eckardt twittert dazu sehr passend: “Polizeibeamte hätten sich damit “zur Exekutive der Pegida-Bewegung” gemacht.”
Ich finde wir müssen noch weiter gehen: Der ganze sächsische Staat, allen voran Ministerpräsident Kretschmer sind mittlerweile nicht mehr nur noch gefühlt Teil der Pegida-Exekutive, sondern treiben die Sache weiter an. Denn der sieht keinen Fehler in seinen Tweet, ganz im Gegenteil, er twittert nämlich nochmal: “Meine Meinung habe ich deutlich gesagt. Sie hat sich nicht geändert. Aufarbeitung der Polizei zeigt Ordnungsmäßigkeit des Einsatzes. Ich bin ein überzeugter Verteidiger der Pressefreiheit und eines sachlichen Meinungsstreits. Den hashtag „Pegizei“ halte ich für unverantwortlich!”
Das lieber Herr Kretschmer ist Whataboutism. Statt sich auf seinen Tweet zu beziehen, wird hier abgelenkt und ein Hashtag kritisiert. Sowas kennen wir doch. Und zwar von den ganzen AfD- und Pegida-Trollen im Internet unter jeder Kommentarspalte. Statt ihrer Position nachzukommen und den sächsischen Staat neutral zu vertreten, schlagen sie sich hier auf eine bestimmte Seite und das ist nicht in Ordnung.
Dresdens Polizeisprecher Thomas Geithner räumte mittlerweile ein, und das zeigt, wie bekannt das Problem in der sächsischen Polizei ist, dass auch einige Polizeibeamte mit Pegida sympathisieren könnten: “Am Ende ist die Polizei ein Querschnitt der Gesellschaft. Bei uns gibt’s alle politischen Strömungen.”
Und auch hier: Nein Herr Geithner. In der Polizei, die die Bürger schützen soll und zwar alle gleich, darf es so etwas nicht geben.Was Sie hier nämlich unterschlagen ist, dass es sich hier nicht um eine normale Meinung handelt, sondern um Rechtsradikalismus. Der hat bei der Polizei nichts zu suchen.
Diese “Demonstranten” rufen “Absaufen! Absaufen!”, sie basteln Galgen mit den Bildern von Politikern, es sind Verschwörungstheoretiker, polzeibekannte Hooligans und Rechtsradikale. Sympathisanten dieser “politischen Strömung” haben nichts im Staatsdienst zu suchen. Es ist gerade Aufgabe des Staates sich und seine Bürger vor diesen Leuten zu beschützen, nicht sie in die eigenen Reihen zu holen. Das sind Verfassungsfeinde, sie wollen diesen Staat abschaffen. Die dürfen nicht bei der Polizei oder irgendwo sonst im Staatsdienst arbeiten. Die sind dafür nicht geeignet. Das hat nichts mit Berufsfreiheit und Gleichberechtigung zu tun, sondern mit Eignung und Verfassungstreue.
In diesem Land läuft unterm Radar so vieles schief, es ist unglaublich und doch deckt es sich mit so vielen Erfahrungen von Migranten und Menschen, die gegen Rechtsradikalismus und Fremdenhass kämpfen. Wenn wir nicht geschlossen aufstehen und unsere Werte verteidigen, werden diese Strömungen in der Gesellschaft immer mehr erstarken, bis es heißt, ja wir haben es kommen sehen, aber wir waren zu beschäftigt, um dagegen anzugehen.
Die Probleme in Sachsen und anderswo werden systematisch vom Staat erzeugt und solche widerlichen Erscheinungen wie Pegida von Sachsen nicht nur mitgetragen, sondern auch verteidigt.
Pöbelnde Wutbürger behindern die Presse bei ihrer Arbeit, die Polizei hilft dabei, während der Ministerpräsident per Twitter-Ferndiagnose Absolution erteilt. So ein Ministerpräsident muss gehen.
Deutschland, wir haben ein Problem. Und das wird jeden Tag größer. Es denkt sich keiner aus. Es ist die Realität. Und so Leid wir alle diesen Scheiß auch sind, der täglich in den Medien ist, so wichtig ist der Kampf dagegen. Ich kann es selbst auch nicht mehr hören. Aber wenn wir jetzt aufgeben, dann ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die AfD irgendwann mal den Ministerpräsidenten in Sachsen stellt. Was dann passiert, möchte ich mir nicht ausmalen. Dieser kleine Vorgeschmack reicht mir aus.
Deutschland mag als freies Land scheinen, bis man in der Justiz oder der Polizei auf den Falschen trifft. Oft genug von vielen erlebt, oft genug von vielen beschrieben, oft genug als Spinnerei abgetan worden.
Sei es G20, eine x-beliebige Demonstration, die journalistische Arbeit von Frontal 21, ein NSU-Prozess, Alis Diskobesuch , ein Bewerbungsgespräch mit Kopftuch oder eine Anklage vor Gericht. Der Widerstand gegen diese Entwicklungen wird immer mehr als elitär abgetan. Der “linken Elite” wird Mitschuld gegeben. Sie hätte zu lange die Probleme der “normalen Bürger”, der einfachen Leute, von ihrem hohen Ross aus ignoriert.
Aber sich gegen diese Missstände aufzutun ist nicht links, ist nicht realtitätsfremd, ist nicht abnormal, ist nicht elitär, ist keine Ablenkung von “wahren Problemen”, ist nicht “deutschlandfeindlich” und hat nichts mit Migration zu tun.
Es ist vernünftig, menschlich, richtig und wichtig. Und im absoluten Sinne der Verfassung. Pegida ist das nicht. Da hat das LKA nichts zu suchen. Auch nicht in der Freizeit.
Michel Abdollahi ist iranisch-deutscher Journalist, Moderator und Reporter beim NDR.
Polizisten die offensichtlich weder wissen was im Grundgesetz, noch im Gesetz steht, nämlich, dass sie den Rechtsstaat vertreten und ihr Amt nicht missbrauchen dürfen, um den Rechtsstaat und die Demokratie zu schädigen. Dies gilt selbstverständlich auch und vor allem für Politiker.
Gemäß § 23 Abs. 1 Pkt. 3 KunstUrhG ist es erlaubt, zu filmen: “Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben”. In diesen Fällen dürfen die Aufnahmen veröffentlicht werden, selbst wenn eine der abgebildeten Personen widerspricht. Wer an einer Demonstration teilnimmt, kann also nicht verhindern, dass Bilder von dieser Veranstaltung verbreitet werden. Der Demonstrant ging vorsätzlich auf die laufende Kamera zu und kam der Aufforderung des Journalisten weiter zu gehen nicht nach.
Siehe auch:
- Die wirkliche Gefahr für dieses Land ist die CSU
- Hans Söllner zum bayerischen Polizeigesetz, Freiheit und Demokratie
- #NoPAG: Bürgeraufstand für die Freiheit
- Bayrisch ist das neue Braun: Weg mit der CSU!
- Heil Heimat
- Organisierter Natonalismus und Rechtspopulismus
- Donald Trump – rechter Terror in Charlottesville und USA
- Das Interwiew mit Donald Trump und Kallstadt
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