Sprechstunde der “Lobby-Glucke von der Bauerntruppe”. Julia Klöckner hat am Montag eine “digitale Facebook-Sprechstunde” durchgeführt.
Dafür hat sie sich volle 20 Minuten Zeit genommen, in denen ein sehr übersichtlicher Kreis von Auserwählten Fragen stellen durfte, ohne direkt blockiert zu werden.
Wir haben uns nur einen Ausschnitt vorgenommen, denn schon in den 2 Minuten stellt die “Lobby-Glucke von der Bauerntruppe” (Original-Zitat von Extra 3) so viele Fragen und falsche Behauptungen auf, das kann man einfach nicht unkommentiert stehen lassen.
Sie startet direkt mit der Frage, wer die Agrarlobby ist.
Das ist sehr einfach zu beantworten: Das sind unter anderem die Leute, die der Grund dafür sind, dass sich Deutschland gegen ein Lobbyregister stemmt.
Sogar die USA unter Donald Trump führt Buch darüber, wer die Politiker berät und Zugang zum Kongress hat, in der Bundesrepublik existiert dagegen nur eine öffentliche Liste, die auf Freiwilligkeit basiert und somit für die Tonne ist.
Wer also seine Fragestunde mit “Wer ist die Agrarlobby?” anfängt, dem kann man nur antworten: “Die Damen und Herren mit den Aktenkoffern voller Gefälligkeiten, die im Bundestag ein- und ausgehen, die zum Beispiel erst kürzlich mit dem Ende der betäubungslosen Ferkelkastration nicht einverstanden waren, und deren Identität Politiker wie Sie auf Teufel komm raus geheim halten wollen”. Fairerweise muss man anmerken, dass im letzten November mittlerweile sogar von der CDU ein Vorstoß Richtung Lobbyregister gekommen ist, ausgearbeitet ist da aber nichts und jeder konkrete Plan liegt in weiter Ferne. De Facto hat Deutschland also kein Lobbyregister und deshalb ist so eine Eingangsfrage einfach nur heuchlerisch.
Dann vergleicht Frau Klöckner anscheinend Politiker mit Tierschützern, die Spenden sammeln.
Erstmal ein Kompliment für diese überraschende Selbsteinsicht, aber “völlig in Ordnung” ist das leider nicht. Denn Organisationen wie unsere Stiftung sammeln Spenden auf freiwilliger Basis und wir sind auch in keine Regierung gewählt worden. Das mit Lobbyarbeit gleichzusetzen, bei der Politikern von der Industrie Angebote gemacht werden, die sie nicht ausschlagen können, und die dann Einfluß auf Gesetze haben, ist schon echt erschreckend. Auch wenn man bei den Passagen noch so freundlich grinst, da man gerade den Orden wider des tierischen Ernst abgeräumt hat.
Es erwartet auch niemand, dass das Bundesagrarministerium ein Bauern-Bashing macht.
Es ist nur sehr offensichtlich, dass dieses Ministerium auf einem Auge absolut blind ist und deshalb eine Politiklinie fährt, die nur Großbetrieben in die Karten spielt und ausschließlich die Interessen der Agrar-Lobby unterstützt. Wer das ist, wurde ja schon weiter oben geklärt, bei Bedarf einfach nochmal nachlesen.
Dann fragt Frau Klöckner nach, wie oft der Fragesteller schon draußen auf den Feldern war.
Da dieses Format keine Antworten zulässt, musste leider die naheliegende “Öfter als Sie”-Erwiderung wegfallen. Trotzdem ist das schon lächerlich, dass so eine Frage von einer Ministerin kommt, die zwar gerne mal in Gummistiefeln auf ausgewählten Vorzeigehöfen posiert, die aber genauso schnell nach diesen mehrminütigen Presseterminen wieder ihre Pumps anzieht und in ihren Dienstwagen stöckelt, um dort direkt zwei neue Duftbäumchen aufhängen zu lassen.
Es wirkt auch fast schon hilflos, wenn man zum Unterstreichen seiner pseudo-salomonischen Politik nur ein einziges Gegenbeispiel findet, das angeblich gegen den Bauernwillen durchgesetzt wurde, und das auch noch falsch dargestellt wird.
Denn nicht Frau Klöckner hat die Neonikotinoide verboten, sondern eine EU-Kommission.
Und damit nicht genug feiern diese Gifte jetzt sogar europaweit ihr Comeback, da plötzlich Notfallzulassungen im Raum stehen. Die greifen, wenn es keine anderen Möglichkeiten der Bekämpfung gibt. Belgien, Polen, Ungarn und Tschechien haben entsprechende Ausnahmen bereits bewilligt, ohne dass bis zu uns vorgedrungen ist, dass das deutsche Agrarministerium deshalb ein Importverbot dieser so behandelten Lebensmittel auch nur in Erwägung gezogen hätte.
Die Unterschrift für so eine Zulassung in Deutschland verweigert auch nicht Julia Klöckner, sondern das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, da taucht der Name Klöckner im Vorstand nirgendwo auf. Auf Anfrage der Grünen teilte das Agrarministerium sogar mit, dass dieses Bundesamt “nach Prüfung der Sachlage über anhängige Anträge entscheiden” werde, und es dabei ausschlaggebend sei, ob sich eine solche Maßnahme angesichts einer anders nicht abzuwendenden Gefahr als notwendig erweist. Das klingt irgendwie ganz anders als eine “ICH verweigere die Unterschrift”-Kampfansage. Auf das flapsige “Machen Sie es besser” gehen wir übrigens nicht ein, das ist dann doch zu kindisch, gerade wenn es von einer gewählten Politikerin kommt.
Mutig ist es immerhin, dass sie tatsächlich noch auf ihr Tierwohlkennzeichen eingeht.
Wer sich nicht mehr erinnern kann, das ist die Plakette, die Bauern auf ihre Produkte pappen können, wenn sie den Schweinen auf der höchsten Stufe 1,5 Meter Wohnraum inklusive einem üppigen halben Meter Auslauf gewähren. Das war selbst dem Ministerium zu schäbig, deshalb sprechen die Damen und Herren dort nur in Prozentzahlen und verweisen auf eine 47 %ige Steigerung.
Außerdem dürfen die gefangenen Personen nur unter Betäubung verstümmelt werden, und es gibt mehrere Checks des Trinkwassers und des Stallklimas von den Experten, die schon jetzt alles durchwinken, solange der Halter einen Schnaps ausgibt. Darüberhinaus dürfen die Kinder auch ganze 14 Tage länger bei der Mutter bleiben und bekommen dort sogar Raufutter, also die Nahrung, die wohl jeder gegen sein Leben eintauschen würde.
Eigentlich ist das alles schon widerlich genug, aber schlußendlich sind all diese Vorgaben sogar freiwillig und enden nur in einem Siegel, das der Verbraucher im Schnäppchen-Wahn gar nicht groß beachten wird. Zumal es auch weiterhin tausende nicht-staatliche Alternativen geben wird, die sich selbst der größte Tierquäler auf seine Produkte kleben darf. Da ist es wie gesagt mutig, frech in die Kamera zu behaupten, dass mit diesem konsequenzlosen Kuschel-Wohlfühlkurs nicht alle Bauern einverstanden wären.
Zum Schluß verweist Frau Klöckner darauf, dass sie sowieso ihre Politik nicht unter moralischen Aspekten diskutieren möchte. Dafür wird sie ihre Gründe haben und dieses Statement fasst eigentlich auch alles gut zusammen. Wir hatten jedenfalls unsere Gründe, nur diesen Ausschnitt zu kommentieren, ansonsten wäre wohl das nächste Buch entstanden.
Jens Grote, Stiftung Hof Butenland
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Sprechstunde von Julia Klöckner:
Die Macht der Bauerlobby – seit Jahrzehnten