Anfang 2011 veröffentlichte der American Kennel Club die Hitliste der beliebtesten Hunderassen in den USA. Auch der Bulldog ist seit ein paar Jahren ganz oben mit dabei. Vor einigen Jahren noch im Mittelfeld auf Platz 21, so rückte er 2010 an sechste Stelle vor. In Los Angeles steht er sogar ganz oben auf dem Treppchen. Da ist er der beliebteste Hund geworden.
Nach wie vor bin ich begeistert von dem Charme der Bulldogs. Doch ich war schon des öfteren nahe dran, mich von dieser Rasse zu verabschieden. Ich konnte das Leiden nicht mehr anschauen, das ihm die moderne Zucht antut. Die riesigen Köpfe und breiten Kreuze der Rüden können nur noch per Kaiserschnitt geboren werden. Eine aktuelle Studie des britischen Kennel Clubs weist aus, dass mehr als 80% der Geburten beim Bulldog (und nicht nur dieser Hunderasse) per Kaiserschnitt fallen. Die schweren Show-Bulldogs können oft schon nicht mal mehr das, was eigentlich alle Rüden aus dem FF können, die Hündinnen begatten. Für die Tierärzte ein neues Geschäftsfeld, die künstliche Besamung muss ran. Wenn dann die Welpen einmal groß sind, können sie oft nicht richtig atmen, leiden ihr Leben lang an Atemnot. Und in deren Folge wird das Herz überlastet und mit drei oder vier Jahren fällt der Hund dann plötzlich tot um, Herzschlag. Als ich vom Kynos-Verlag gefragt wurde, ob ich ein Buch über den Bulldog schreiben wolle, war das ein Spagat. Ich stehe nach wie vor zu dieser einzigartigen Hunderasse, sie sind in meinen Augen ein idealer Begleiter in der heutigen Zeit. Sie absorbieren unseren Stress und zaubern immer wieder ein entspanntes Schmunzeln in unser Gesicht. Man muss zugleich kein schlechtes Gewissen haben, wenn man mal nur für eine halbe Stunde Lust zum Spazierengehen hat. Bulldogs gehen gerne in die Natur, aber sie verzeihen auch, wenn das man kürzer ausfällt. Ich verzeihe es hingegen nicht, was die Zucht in den letzten 30 Jahren meinem besten Freund angetan hat. Die Köpfe mussten immer größer, die Körper tiefer und massiver, die Falten bis über die Nase reichen. Dafür gab es Championate und die besten Welpenpreise. Ein Verbrechen an der Gesundheit und dem Wohl dieser so gutmütigen Partner des Menschen.
Von daher weiß ich noch nicht so richtig, wie ich die rasant gewachsene Beliebtheit des Bulldogs in Nordamerika deuten soll. Die Hoffnung ist, dass immer mehr Augen die missliche Lage der Hunde sehen und ein Aufschrei des Protestes durch die Bulldog-Szene geht. Doch es kann auch sehr gut anders kommen, wie eigentlich bei allen Hunden, die in letzter Zeit in Mode kamen. Sie wurden noch kränker. Vermehrer treten auf den Plan und die etablierten Züchter drehen die Hundeproduktion bis zum Anschlag auf und (fast) alle züchten mit allem was noch gebärfähig ist.
Das Geschäft ist einfach zu verlockend.
Warum ist das nur so? Die meisten Menschen lieben doch ihre Hunde?
Vielleicht ist es Ihnen auch schon so gegangen, wenn sie einen Wurf Welpen sahen. “Oh, der hat aber eine schöne Maske! Der hat eine schöne Farbe…!” Spontan neigen wir dazu, uns bei der Auswahl unseres Welpen von Äußerlichkeiten leiten zu lassen. Und es gibt auch manche Menschen, die suchen sich auch ihren zweibeinigen Partner nach Äußerlichkeiten aus, Hauptsache blond. Solche Typen belächeln wir und warten nur auf das Scheidungsdrama, das so sicher wie das Amen in der Kirche deren opulenter Trauung kommt. Beim Hund gehen wir noch ein ganzes Stück weiter. Da verlangen wir, dass er einen dicken Leberfleck mitten über dem Auge hat. Ohne diesen Leberfleck geht gar nichts. Oder eine ganz lange Hakennase mit kaum sichtbaren Augen aber tief hängendem Lied als Kriterium eines guten Partners. Das sind wir! Wir als Käufer eines Rassehundes.
Und so kommen und gehen die Moden, auch was den Hund angeht. Derzeit hoch im Kurs der Merle-Chihuahua. Dieser Gendefekt, der neben einer gescheckten Fellfarbe auch Taubheit und andere Defekte verursachen kann, wurde jetzt extra in die Chihuahua-Population eingekreuzt. Und für Merle-Welpen kann man höhere Preise verlangen. Sind es dann noch besonders kleine Zwerge, so geht die Preisspirale weiter nach oben.
Anbieter gibt es und Käufer wohl auch. Dass die Hunde lebenslang eine offene Fontanelle haben, die bei kleinster Verletzung zu einem offenen Hirn führt, schert offensichtlich weder die Vermehrer solcher Hundenoch deren Halter. Hauptsache er macht sich chic beim nächsten Event.
Gerade wir in Deutschland dünkeln uns immer besonders hoher Standards in Sachen Umwelt und Tierschutz. Im Jahr 1999 wurde das so genannte Qualzuchtgutachten im Auftrag der Bundesregierung veröffentlicht. Da wird glasklar empfohlen, auf die Zucht mit Merle zu verzichten. Da wird unzweideutig der tierschutzrelevante Charakter der Verzwergung aufgezeigt. Aber es interessiert keinen. In den ganzen 12 Jahren danach, gab es eine einzige rechtskräftige Verurteilung wegen Qualzucht. Man könnte nun einfach behaupten, das wäre eben das Ergebnis eines fehlenden Tatbestandes von Qualzucht. Ich lasse das hier mal einfach so stehen.
In Deutschland dürfen Hunde gehandelt werden wie Waschmaschinen. Ja, sogar gegen eine öffentliche Versteigerung von Jagdhunden an den Meistbietenden gibt es von Amts wegen keine Bedenken, wie im Januar aus dem Saalekreis gemeldet wurde. Bei Hubert Winkel in Dorsten kann man Welpen quasi aus dem Regal kaufen und beim größten Zoohändler Europas, Zajac in Duisburg, wird eine ganz neue Halle gebaut: Hundewelpen sollen hier vermarktet werden wie schon Schlangen und Bartagame. Auch das ist ganz legal. Es ist auch ganz legal, wenn Jahr für Jahr hunderttausende Welpen in der EU von Ungarn oder Ukraine nach Spanien oder Deutschland exportiert werden. Sozialisation spielt keine Rolle, darum muss man sich nicht kümmern. Aber ordentlich benehmen müssen sich die Hunde dann schon.
Der Australian Shephard ist ein ausgemachter Hütehund, der Arbeiten will. Trotzdem zeigt er in der Welpenstatistik des VDHs die höchste Steigerungsrate. Was wollen die Leute mit einem solchen Arbeitshund inder Großstadt? Oder gar der Kangal, ein mächtiger Herdenschutzhund, der in den Bergen Anatoliens ohne Probleme mit Wölfen fertig wird, legal gehalten in einem Hinterhaus in Berlin? Neueste Hundemode sind die so genannten Designer-Dogs, was nur ein marketingtechnisch anderer Name für Mischling ist. Da werden Hütehunde gar mit meinem Bulldog gekreuzt.
Bullcoll oder Borderbully nennen die Verantwortlichen das Produkt, angepriesen als liebe Familienhunde. In meinen Augen eine unverantwortliche Aktion. Ich kenne den Charakter des Bulldogs ganz gut und er war vor 200 Jahren der Prototyp des Kampfhundes. Heute sind die Veranlagungen, die ihn ausgesprochen sanftmütig, menschenzugewandt und vollkommen kontrollierbar machen klar dominant. Was aber, wenn seine schlummernden Veranlagungen mit dem Hüte- und Arbeitstrieb eines Hütehundes ungünstig zusammenkommen?
Wir müssen das Wesen unseres vierbeinigen Partners viel mehr in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen stellen. Ansonsten wird er immer weiter zur bloßen Ware, zu einem lebenden Konsumobjekt. Das aber zerstört diese einmalige Partnerschaft. Die Hunde brauchen unsere Fürsorge und unseren Schutz vor dem Griff der Profiteure, aber auch vor uns Haltern selbst, Haltern, die Moden erliegen und den Hund nach Äußerlichkeiten taxieren. Hunde sind mehr wert, als dass man sie wegen einer Mode bewertet.
Übrigens bin ich vor gut drei Jahren auf der Suche nach einem gesunden Bulldog dann doch fündig geworden. Als der Züchter mich dann darauf hinwies, dass seine Hunde und der mich interessierende Welpe bei den Ausstellungen keine vorderen Plätze belegen würden, war das für mich die beste Kaufempfehlung. Und es gibt sie, die körperlich und mental gesunden Bulldogs, die den Tierarzt nur zum Impfen sehen. Wir als Halter sollten solche Züchter fördern.
Christoph Jung ist Psychologe, studierte Biologie, Initiator des Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht und Autor des Schwarzbuch Hund, Die Menschen und Ihr bester Freund!
Es gibt zwar noch (relativ) gesunde Bulldogs, aber es ist eine seltene Ausnahme. Es ist ein Trauerspiel und im Grunde auch ein Tierschutz-Skandal, was da abläuft – und alle wissen seit Jahren Bescheid: der VDH, der Deutsche Tierschutzbund, die Behörden.
Dem VDH-Verein fällt nichts Besseres ein, als teils offen Front zu machen gegen die Maßnahmen, die der Kennel Club seit 2009 zur Gesundung des Bulldogs eingeleitet hat. Schwerste Nasenfalten sind aktuell hoch in Mode und wurden erst im Mai 2011 bei der VDH-Europa-Ausstellung in Dortmund hoch bewertet.
Trotz aller verbalen Bekundungen, wird bisher noch nichts Nennenswertes gemacht. Solange das so weiter geht, kann man aus Tierschutzgründen nur vor dem Kauf eines Bulldogs warnen. Und leider ist der Bulldog längst nicht die einzige Hunderasse, die gerade in den letzten 30 Jahren (wo alle von Bio und Umweltschutz labern) kaputt gezüchtet wurde…
ich finde es grauenvoll, wie vollkommen verrunzelte und schwer röchelnde EB´s von ihren besitzern (und natürlich den “züchtern”) schöngeredet werden…
mag sein, daß es vereinzelt noch ein paar gesunde gibt – ich kenne persönlich leider einen einzigen.