Dieser Tage mußte ich viel an eine leider für Deutschland sehr treffende Karikatur denken, die ich vor Jahren einmal in einer Zeitung gesehen habe: Da läuft sich im Fernsehen ein Sportler beim Sprint die Seele aus dem Leib, rennt wie ein Irrer, und vor der Glotze hängt ein fetter, unrasierter Typ im Unterhemd mit Bierbauch im Liegesessel, Chips und Cola in den Händen und quakt: “Schneller, du fauler Sack!” Ja, der Zeichner hatte wohl in Deutschland auch entsprechende Erfahrungen mit den lieben Mitmenschen gemacht.
Bei mancher Nachricht, die mich derzeit erreicht, komme ich mir schon wie dieser Läufer vor. Da schreiben mir Leute, die nie selbst irgend etwas gegen Tiersteuern unternommen haben, was ich jetzt gefälligst noch zu tun habe, was man von mir erwartet, was ich angeblich “besser” machen muß, usw. Es reicht von nett gemeinten, aber meist leider völlig hilflosen und aus Unkenntnis formulierten “Hinweisen” bis zu recht anmaßenden und unangemessenen Schreiben.
Aus diesem Grund halte ich hier nochmal öffentlich fest, wie die Situation wirklich aussieht:
Ich habe nach dem Schreiben des EGMR mit der Nachricht, daß die wichtigsten Dokumente aus der Akte in Straßburg “verschwunden” sind, inzwischen noch viermal Schriftsätze beim Gericht eingereicht:
- Als klar wurde, daß fristgebundene Originale fehlen, für die die Frist abgelaufen ist, habe ich zweimal ausführlich dargelegt, daß eine erneute Einreichung so nicht möglich ist, weil eine Rückdatierung unzulässig – und auch unwirksam – ist. Es zählt der Poststempel. Ich habe daher klargestellt, daß das Gericht über eine Fristverlängerung nach der Verfahrensordnung beschließen müßte. Beantragen kann man diese Fristverlängerung formal nicht, das sieht die Verfahrensordnung nicht vor. Aber ich habe zweimal so deutlich auf das Problem hingewiesen, daß jeder sofort erkennt, was rechtlich zu tun wäre. Selbst wenn man beim Gericht die Problematik nicht erkannt hätte (was ohnehin schon unwahrscheinlich ist, dort kennt man die eigene Vorgehensweise): Ich habe das Gericht zweimal massiv mit der Nase darauf gestoßen. Eine Antwort habe ich nicht erhalten.
- Ich habe dann, als die Fristverlängerung nicht kam, bei mir noch vorhandene Unterlagen nachgereicht, und zwar auch zweimal, zur Absicherung gegen erneute “Verluste”. Dabei handelt es sich um Dokumente, die nachweislich vor dem Fristablauf am 26. Juli 2012 zur Verfügung standen und aus denen sich alle vorgeschriebenen inhaltlichen Elemente der Beschwerde einschließlich des abgeschlossenen Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht fristgemäß dokumentieren lassen. Ich habe beantragt, dies als Ersatz für die Beschwerdedokumente zuzulassen. Darin sind zwar nicht alle Argumente gegen die Hundesteuer enthalten, aber die zentralen Punkte. Und das Wichtigste: Alle diese Unterlagen waren vor Fristablauf zugänglich. Auch hier steht eine Antwort aus Straßburg noch aus.
Ich war also keinesfalls untätig und habe alles, was man als Anwalt tun, um das Verfahren unter Ausnutzung aller Möglichkeiten der Verfahensordnung zu retten, in die Wege geleitet. Insbesondere habe ich, wie vorgeschlagen, alle notwendigen Dokumente nachgereicht, und zwar ohne mit dem Fristablauf in Probleme zu kommen.
Bevor also neunmalkluge Hobbyjuristen weiter “argumentieren”, sollten sie sich bitte erst kundig machen, wie die Sach- und Rechtslage tatsächlich aussieht und welche professionellen Möglichkeiten bestehen. Ich bin beruflich im internationalen Wirtschaftsrecht tätig (auf der Kanzleihomepage findet man Angaben zu meiner Qualifikation, langjährigen Tätigkeit und Auszeichnungen als Jurist) und weiß durchaus, wie man diesen Fall einwandfrei bearbeitet. Nur – gegen “verlorene Akten” und gegen das “Schweigen im Gerichts” kann man als Anwalt im Verfahren nichts erzwingen.
Wenn ein solcher Vorfall mit “verschwundenen Akten” beim Verfahren eines Franzosen vorgekommen wäre, hätten am nächsten Tag Tausende Demonstranten mit Hunden und Pferden vor dem Gericht gestanden, Mist abgeladen und gezeigt, daß die Betroffenen sich von Bürokraten nicht veralbern lassen. Deshalb ist in Frankreich, wie praktisch im ganzen Rest Europas, ja die Hundesteuer auch längst abgeschafft worden. Frankreich ist kein Land von Duckmäusern. Deutschland dagegen: Fehlanzeige. Keiner der drei deutschen Verbände, die die Klage “unterstützen”, hat sich bei mir auf meine Informations-Mail mit irgend einer Reaktion gemeldet. Nur das DOGS Magazin bringt einen (wenig optimistischen) Bericht im nächsten Heft. Statt daß jetzt andere Betroffene “mitlaufen”, ruft man dem, der als einziger unter 5 Millionen deutschen Hundehaltern den Marathon nach Straßburg absolviert, zu: “Lauf schneller.” So wird das nichts. Die deutschen Beamten kennen eben ihr Volk. Sie haben mit dem bequemen und risikoscheuen Michel leichtes Spiel.
Ich bitte um Verständnis, daß ich auf weitere Anschreiben, die mir jetzt alle noch sagen, was ich “zu tun habe”, nicht mehr einzeln antworten kann. Wer meint, daß die Sache “gerettet” werden kann, wenn unsere Bundesregierung “eingreift” (nicht vergessen: das ist der Klagegegner, und außerdem derjenige, der von den verschwundenen Unterlagen im Ergebnis profitiert), mag sich gern selbst nach Berlin wenden. Wer immer noch nicht verstanden hat, daß der EGMR eine Einrichtung des Europarates ist, nichts mit der Europäischen Union (EU) zu tun hat und völlig nutzlose “Beschwerden” beim unzuständigen Europaparalament, der ebenso unzuständigen EU-Kommission oder irgendwelchen “Ombudsmännern” und “Vertrauensleuten” vorschlägt, mag selbst mit derartigen Aktionen sein Unwissen über die Origanisation der europäischen Institutionen dokumentieren. Über dem EGMR gibt es keine Instanz, bei der man sich “beschweren” könnte: Das sind die höchsten Richter Europas, und sie heißen so, weil da kein “Höherer” über ihnen steht. Irgendwie logisch, oder?
Den “besten” Vorschlag möchte ich abschließend den Hundefreunden nicht vorenthalten:
In irgend einem Blog monierte jemand ernsthaft, ich hätte die originale Klageschrift überhaupt nicht erst einreichen sollen, dann hätte sie auch nicht verschwinden können. Aha. Dieser genialen Idee folgend, habe ich hier die perfekte Lösung des deutschen Hundesteuerproblems: Schaffen Sie sich überhaupt erst keinen Hund an, dann entfällt auch mit Sicherheit und sofort die Hundesteuer.
So einfach ist das, wenn man nur einen “richtig guten” Hobbyanwalt fragt.
Dr. Elmar Vitt ist Rechtsanwalt in Salzhausen und ist Inhaber des Blogs www.sirmonti.de
Siehe auch:
- Keine Fortsetzung des Hundesteuer-Verfahrens vor dem EGMR
- Hundesteuer: Klageschrift beim Europäischen Gerichtshof “verloren gegangen”?
- Hundesteuer! Pferdesteuer! Kommt jetzt die Katzensteuer?
- Rechtsanwalt reicht Klage gegen die Hundesteuer ein
- Hundesteuer: Scheitert Klage beim Europäischen Gerichtshof?
- Hundeliebe wird in Deutschland besteuert
- Beim Hund hört der Sozialstaat auf
- Richter klagt für die Abschaffung der Hundesteuer
- Zweithund: In Bayern Luxus!
Liebe Hundefreunde,
sehr bedauerlich, wenn bei den “höchsten Richtern Europas” Akten verloren gehen. Dort sitzen wohl keine Hundefreunde.
Habe lange auf die Abschaffung der Hundesteuer gehofft.
Pferde hinterlassen die größeren Haufen, mein Hund lässt seinen kleinen Haufen nur auf unserem Grundstück, dafür muss ich dann mehrfach zahlen, Müllgebühr und Hundesteuer.