Ein Terroranschlag in Deutschland. Das, vor dem Politiker und Sicherheitsdienste seit Monaten und Jahren warnen, ist eingetreten, und die Medien, vor allem die sozialen, explodieren in Hysterie, dummen Fragen, Betroffenheitsritualen und wilden Spekulationen.
Es ist viel vom Islam und den Flüchtlingen die Rede, und alle tun so, als wäre das Problem des islamistischen Terrors etwas völlig Neues. Und da ist, Hand aufs Herz, auch viel Sensationsgeilheit mit dabei, das verrät die oft viel zu reißerische Sprache und die Tatsache, dass eine Sondersendung die nächste jagt, ohne dass es wirklich neue Informationen gibt.
Ja, der Terror ist ein Problem.
Ein Problem, das man mit Polizei, den Geheimdiensten, unter bestimmten Bedingungen sicherlich auch Militäreinsätzen, und, wo nötig, mit der Gesetzgebung bekämpfen muss. Am besten auch und gerade auf europäischer Ebene, eingebettet in eine außenpolitische Strategie, die die Ursachen des Terrors im Blick hat, und einer Innenpolitik, die alles tut, damit das Kalkül der Terroristen, Hass zwischen Menschen unterschiedlicher Religion und Herkunft zu säen, eben gerade nicht aufgeht.
All das ist seit langem bekannt.
Die USA haben 15 Jahre Erfahrung mit dem, was George W. Bush „Krieg gegen den Terror“ nannte“, und spätestens seit den Zuganschlägen von Madrid, den Selbstmordattentaten in London und den Massakern von Paris und Nizza weiß auch Europa, dass es im Fadenkreuz islamistischer Mörderbanden ist.
Und über was reden wir in Deutschland angesichts dieses feigen Anschlages?
Über Angela Merkels Flüchtlingspolitik, darüber ob der Islam gefährlich ist, neue Sicherheitsgesetze und wieder mal treibt die AfD mit ihren Themen zuerst Horst Seehofer und dann alle anderen vor sich her.
Wer glaubt, dass der Terror mit dem Islam und den Flüchtlingen zusammenhängt, der kann mit der gleichen Logik nach dem Pädophilie-Skandal rund um die Regensburger Domspatzen auch Katholiken und Deutsche unter Generalverdacht stellen.
Dabei gibt es Dinge, die wichtiger sind. Jenseits aller Hysterie. Dies beginnt mit der politischen Kommunikation der etablierten Parteien, die völlig unzureichend ist.
Ja, es braucht mehr Symbolpolitik, aber nicht nur in Richtung der Rechtspopulisten. Es gibt auch Möglichkeiten, die offene Gesellschaft, Willkommenskultur und Europa offensiv, optimistisch und medienwirksam zu verkaufen. Vor allem geht es um die Lufthoheit in den Sozialen Medien und Onlinewahlkampagnen, die auf der Höhe der Zeit geführt werden müssen. Da lassen Obama und Trump grüßen.
Deutschland hat 1 Millionen Flüchtlinge aufgenommen und steht im Großen und Ganzen wirtschaftlich besser da als die meisten anderen Länder des Westens. Daraus muss sich doch etwas machen lassen! Viral. Massenwirksam. Inhaltlich überzeugend.
Die AfD und DIE LINKE liegen in Umfragen zusammen gerade mal bei höchstens 25 Prozent. Es ist nicht so, dass der politische Irrsinn hier schon eine Mehrheit hätte und es ist immer falsch, sich vom politischen Gegner die Themen diktieren zu lassen.
Wie kann es sein, dass die AfD in den Sozialen Medien einen wirkungsvolleren Auftritt hat als alle andern?
Es ist auch überhaupt nicht so, dass Deutschland in Sachen Terrorabwehr geschlafen hat. Und in Sachen Flüchtlinge hat die Regierung ebenfalls eine Menge getan. Zwei Asylpakete, ein Integrationsgesetz, Merkels Türkeideal und es gibt erste Ansätze einer Politik, die die Fluchtursachen direkt in Afrika bekämpfen will. Wer das nicht sieht, ist schlicht dämlich oder böswillig, und es muss in einer politischen Auseinandersetzung noch erlaubt sein, Idioten Idioten zu nennen.
Wieso gibt es keine Memes und viralen Videos zur Politik der Bundesregierung?
Wer wissen will, wie das funktioniert, braucht sich nur den Internetauftritt von Obamas Weißen Haus anzuschauen. Das Schlimme ist, dass der Terror auch dazu führt, dass über alles, nur nicht über die eigentliche Kernfrage des neuen Jahrtausends diskutiert wird.
Das Risiko, bei einem Terroranschlag zu sterben, ist im Vergleich zu anderen Möglichkeiten, im Alltag zu Tode zu kommen, verschwindend gering.
Was soll die Frage, ob wir morgen noch auf Weihnachtsmärkte und zu Fußballspielen gehen können?
Und es ist doch völliger Unsinn, wenn behauptet wird, dass 1 Millionen Flüchtlinge den Charakter von 82 Millionen Deutschen verändern könnten oder das wir nicht die Mittel hätten, diese Menschen zu integrieren.
Das sind doch alles Scheinprobleme gegen die eigentliche Frage.
Und die lautet: Wie begegnet Deutschland der wohl größten Revolution in der Menschheitsgeschichte, nämlich der Globalisierung und Digitalisierung. Mit Mauern, Nationalismus, Protektionismus und Ausgrenzung? Oder versuchen wir an der vordersten Front der Entwicklung mitzumarschieren?
Es ist glasklar, dass niemand die globale und digitale Zukunft aufhalten kann.
Märkte und Menschen wachsen immer mehr zusammen, und die Flüchtlingswellen werden natürlich immer höher werden, wenn jeder, der in Afrika und anderswo gegen Armut und Hunger kämpfen muss, über das Internet den Lebensstandard in Deutschland oder den USA bewundern kann.
Das alles verschwindet nicht, auch nicht aus Europa, wenn wir den Kopf in den Sand stecken.
Hier braucht es endlich Optimismus und Gestaltungswillen. Denn natürlich bringen Globalisierung und Digitalisierung auch 1001 neue Möglichkeiten mit sich. Ja, Probleme wie den Terror und die Flüchtlingskrise muss man ernst nehmen und man muss hier das tun, was der Staat zu tun vermag.
Aber wir müssen endlich damit aufhören, wie die Maus auf die Schlange, auf die apokalyptischen Angstszenarien rechter und linker Wirrköpfe zu starren, sondern endlich mal optimistische und hoffnungsvolle Erzählungen entwickeln, die eine Mehrheit der Deutschen auch wieder erreichen.
Wenn wir es nicht schaffen, aus der neuen Zeit etwas Gutes zu machen, wer denn dann?
Siehe auch:
- Trotzdem: Frohe Weihnachten! Merry Christmas!
- “Merkels Flüchtlingspolitik war effektiver als jede Bombe gegen die IS”
- Angstforscher Borowin Bandelow über Angst und Terroristen
- Tobias Huch an ISIS: Wir gewinnen. Ihr verliert.
- Facebook-Rekord: Brandon Stantons offener Brief an Donald Trump
- Tobias Huch to ISIS: We win. You lose.
- Geldquellen der ISIS: Rohöl-Schmuggel und G20 Staaten
- Terrorakte der IS in Paris gegen die Menschheit
- Der Kampft gegen die ISIS
- Anschlag auf die Meinungsfreiheit bedeutet Anschlag auf Demokratie
- VW versucht Kosten der Zulieferer zu drücken
- Diese Bundesabgeordneten stimmten für die Vorratsdatenspeicherung
- Rechtspopulismus, Missgunst, Neid und Hass
- Warum so viele Amerikaner Donald Trump wählen
- Wie Donald Trump Präsident werden konnte
- Die Schande der Politik in Deutschland und Dummdeutschland
- Eric T. Hansen bei Plasberg – “Club” der Ahnungslosen
- Die deutsche Presse, Demokratieverständnis, Pediga & Co.
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