Eine Zeitung fragte einmal, wo der Unterschied zwischen Donald Trump und Berlusconi ist.
Hier meine Antworten auf beide Fragen:
1. Er sagt, was er denkt:
Man sagt von uns Amerikanern, dass wir nie die Wahrheit sagen, weder im persönlichen Umgang miteinander, aus Höflichkeit (“Oh ja, das hat toll geschmeckt!” – Würg – das haben wir aus England geererbt) noch in er Politik oder in der Wirtschaft.
Das Wort “Spin doctor” kommt aus dem Englischen, weil die Kunst des PR bei uns hochentwickelt ist. Und natürlich wünscht jeder Supermarktkassierer herzlich „Have a good day“, und meint, „Fahr zum Teufel Arschloch.“
Das fällt nicht nur den Deutschen, sondern auch uns, deswegen ist es für viele von uns wie eine frische Briese, wenn einer kommt und das ganze Politsprech ignoriert und einfach frei von der Leber weg spricht.
Es ist tatsächlich super – Trump meint wirklich, was er sagt, auch wenn es Unsinn ist. Und wenn ich ehrlich bin, wo ist der Unterschied? Die Profi-Politker sagen die ganze Zeit etwas anders als das, was sie wirklich glauben – wie will ich wissen, dass sie insgeheim nicht alle selber spinnen?
In Deutschland ist es übrigens nicht anders – auch die Deutschen meckern ständig darüber, dass ihre Politiker viel sprechen, ohne etwas zu sagen. Schalten Sie einfach irgend ein Polti-Talkshow ein, es ist zum Verzweifeln.
Besonders in diesen Tagen wimmelt Deutschland nur so vor Leuten, die behaupten, „endlich die Wahrheit“ zu sagen. Der Unterschied ist: die Deutschen würden nie konsequent handeln und einen Politiker wählen, der Politsprech nicht beherrscht.
2. Wir hassen Washington:
Die meisten Deutschen verstehen das nicht über Amerika: Wir sind eine Föderation aus 50 halbsouveränen Staaten. Jeder Amerikaner hat zwei Regierungen – die bundesstaatliche und die föderale in Washington.
Das Problem ist, die föderale Regierung in Washington vertritt „unsere“ bundesstaatlichen Interessen nur zu 2% – zu 98% vertritt sie die Interessen anderer Bundesstaaten. Immer, wenn Washington ein Gesetz erlässt, das wir nicht mögen, haben wir das Gefühl, dass wir zu etwas gezwungen werden, was wir nicht wollen.
So sehen wir Washington als ein Haifischbecken aus Lobbyisten, Geldinteressenvertretern, Scharlatanen und Betrügern. Egal, wie ehrlich, aufrecht und gut ein Politiker in seinem Bundesstaat ist, wird er schnell in Washington „verdorben“. Die ganze Zunft der Profi-Politiker wird oft als kompromittiert und korrupt gesehen.
Dazu kommt unser Gründungsmythos – wir haben uns 1776 von der weit entfernten Tyrannei der englischen Krone befreit. Freiheit ist seitdem fur uns die Freiheit von Fremdbestimmung aus der Ferne – Washington wird so zu einer Art Ersatz-England, der den einzelnen Bundesstaat knechtet und von dem man sich befreien muss.
Das ist kein unterschwelliges Gefühl, dass kommt ganz deutlich im Wahlkampf zur Sprache. Jeder Präsidentschaftskandidat in jedem Wahlkampf – wirklich, jeder in jedem – verspricht irgendwann, in Washington „aufzuräumen.“
Aber ein Profi-Politiker kann ja in Washington nicht aufräumen, denn er ist selber schon kompromittiert. Also muss er Außenseiter her. Deshalb gibt es so viele Präsidenten bei uns, die keine Erfahrung in Washington haben – Obama war ein unbeleckter Senator, Bush war Provinzgouverneur, Reagan war Schauspieler, Lincoln war Provinzanwalt. Man sieht dieses Prinzip in unzähligen Polit-Spielfilmen.
Das nächste mal, wenn Sie „Dave“ sehen, denken sie daran: Der kleine Mann, der ehrliche Mann, der keine Kompromisse macht und keine Machtgelüste hat, sondern nur das Richtige“ tun will, der mit einfachen klaren Lösungen den gordischen Knoten durchschneidet, aufräumt. Diesen Mythos bedient sich Donald Trump – er ist Dave, nur mit mehr Geld und mit einem Ego.
(Da steckt auch unser Misstrauen gegen Intellektualismus drin: Trumps Fans kommen aus ärmeren, weniger gebildeten Gegenden, die zu einem großen Teil von gebildeten Theoretikern fremdbestimmt werden. Auch Dave war ein einfacher Typ, der den Superhirnis da oben gezeigt hat, dass die einfachen Lösungen immer besser sind.)
Die Deutschen haben übrigens einen ähnlichen Mythos – den Mythos, dass Deutschland von den USA fremdbestimmt wird.
Daher werden so Sachen wie TTIP und die NSA so riesig aufgeblasen und mit so viel Missverständnissen und Übertreibungen überladen, und jeder, der „den Mut“ hat, gegen Amerika zu sprechen, wird als Held dargestellt. (Ich weiß noch als Christian Ströbele nach Moskau fuhr, um sich mit Edward Snowden abblitzen zu lassen – er war für viele ein Held, obwohl es politisch keinerlei Auswirkung hatte.)
3. Wir lieben das Chaos:
Wir Ami lieben den kleinen Mann, den Außenseiter, und vor allem lieben wir Chaos.
Das würden wir nie zugeben, aber es stimmt – Amerika ist im Vergleich zu Europa ein absolut chaotisches Land, und das meine ich absolut positiv: Im Chaos kann Neues entstehen, wer mit zu vielen Regeln lebt (und ja, ich rede jetzt von Deutschland), erwürgt die eigene Kreativität.
Im Chaos entstehen Chancen, im Chaos entsteht Veränderung. Die Chancengleichheit, die wir meinen, entsteht nur, wenn nicht alles geregelt ist, wenn die Strukturen aufgebrochen sind, wenn es Gesetzeslücken gibt.
Trump ist wie der Querulant, der die verknöcherten Strukturen aufbricht, er ist der Narr, der die Nacktheit des Königs offen anspricht, er ist das Chaos im System, und dafür lieben wir ihn. In diesem Sinne ist er ein Ur-Amerikaner.
Keiner, auf den wir auf langer Sicht stolz sein werden und keiner, der auf langer Sicht etwas erreichen wird, trotzdem verkörpert er die ur-amerikanische Idee des Chaos als positive, kreatives Lebensumfeld.
4. Wird Trump gewinnen?
Nein.
So sehr lieben wir ihn auch nicht.
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